Bündnis der Vernunft
Von Jörg Kronauer
Druck schweißt zusammen: In den zweitägigen Gesprächen, zu denen sich Chinas Außenminister Wang Yi und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow am Montag im südchinesischen Guilin eingefunden haben, steht ein weiterer Ausbau der ohnehin schon engen Kooperation zwischen Beijing und Moskau auf dem Programm. Da verstärken die westlichen Mächte ihre Manöver nahe der russischen Grenze und im Südchinesischen Meer; da schließt sich die EU dem jüngsten US-Sanktionshagel gegen Russland und China an, und der transatlantische Pakt verstärkt die Attacken auf beide, indem er besinnungslos aus allen Propagandarohren feuert: Zeit für die Angegriffenen, sich zur Verteidigung zusammenzutun, sollte man meinen. Und tatsächlich: Wang und Lawrow seien dabei, die »strategische Koordination« zu intensivieren, war anlässlich ihres Treffens offiziell zu hören.
Entsteht da ein festes Bündnis, vielleicht gar ein geschlossener antiwestlicher Block? Nun, man tut wohl gut daran, bei aller bilateralen Kooperation die tiefsitzenden Interessengegensätze zwischen Moskau und Beijing nicht aus dem Blick zu verlieren, die bislang ein allzu enges Zusammengehen hemmten. Aus russischer Sicht ist China ökonomisch übermächtig, würde ein extensives Bündnis klar dominieren. Aus chinesischer Sicht wiederum ist Russlands Außenpolitik, die sich immer wieder auf das Militär stützt, gegenüber dem Westen zuweilen ein wenig provokativ. Beijing greift in aller Regel nicht militärisch, sondern ökonomisch ein, um den globalen Konflikten so wenig Futter wie möglich zu geben. Moskau lebt nicht unerheblich von Rüstungsexporten, und weil es im Westen keine Abnehmer hat, beliefert es auch Chinas nichtwestliche Rivalen: Indien zum Beispiel wird sich in künftigen Konflikten mit der Volksrepublik wohl auf das hocheffiziente russische Raketenabwehrsystem S-400 stützen können. China wiederum gefährdet zum Beispiel in Zentralasien mit seiner Wirtschaftsmacht Russlands traditionellen Einfluss.
Trotz solch gewichtiger Differenzen – und es gibt mehr – haben Moskau und Beijing es bislang geschafft, ein Vernunftbündnis zu schließen und zu bewahren. Auf ihre »strategische Partnerschaft« in den 1990er Jahren folgte 2001 ihr »Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit«. Im selben Jahr gehörten beide zu den Gründungsmitgliedern der »Shanghai Cooperation Organisation«, einem Zusammenschluss, der auch eine militärische Komponente hat. Beide kooperieren im BRICS-Bündnis sowie informell im UN-Sicherheitsrat, und sie haben ihre strategischen Absprachen – trotz aller Differenzen – in dem Maß intensiviert, in dem der Druck des Westens auf sie stieg. Die nächste Stufe ist nun wohl erreicht: Das Außenministerium in Beijing jedenfalls kündigte ebenjene »verstärkte Koordination« der beiden Staaten »in internationalen Angelegenheiten« an – zur Abwehr westlicher Aggression.
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