Kalter Handelskrieg gegen London

Großbritannien sieht die heimische Wirtschaft wenige Wochen nach Abschluss des »Brexit« durch Importstopps der Europäischen Union (EU) für bestimmte Meeresfrüchte beschädigt. »Es gibt keine wissenschaftliche oder technische Rechtfertigung für die Europäische Kommission, den Import von lebenden Muscheln aus Gewässern der Klasse B zu verbieten«, sagte eine Sprecherin des britischen Umweltministeriums auf Anfrage der Deutschen Presseagentur, wie am Mittwoch gemeldet. Nach einer EU-Einteilung gelten Gewässer der sogenannten Klasse A als die saubersten, darauf folgt die Kategorie B. Weichtiere aus Gewässern der Kategorie A können den Bestimmungen zufolge in die EU importiert werden, ohne dass sie vorher noch einer Reinigung bedürfen. Die meisten britischen Gewässer gehören der Brüsseler Klassifizierung zufolge aber zur Klasse B.
Die Kommission unterbindet hingegen die Einfuhr von bestimmten Schalentieren – etwa der Kategorie B – aus dem Vereinigten Königreich, ebenso wie aus anderen Drittstaaten. Begründet wird das seitens Brüssel damit, dass nach dem EU-Austritt Großbritanniens Lebensmittelstandards und Überwachung von denen der EU abweichen könnten und diese Meeresfrüchte gesundheitlich besonders heikel seien. »Das wirkt sich schon jetzt auf Unternehmen aus und schädigt Märkte auf beiden Seiten des Kanals«, sagte die britische Ministeriumssprecherin.
London fordere dringend eine Lösung dieses Problems und habe die EU-Kommission zu einem Treffen aufgefordert. Gleichzeitig sei man bereit, weitere Belege vorzulegen, die die Qualität der britischen Produkte untermauern würden. »Dabei müssen aber die existierenden hohen Standards und die Geschichte unseres Handels berücksichtigt werden«, hieß es aus dem Umweltministerium.
Droht nun ein eskalierender Handelskonflikt EU–Großbritannien? Einem Bericht der britischen Tageszeitung The Daily Telegraph zufolge sollen in britischen Regierungskreisen als Reaktion bereits mögliche Beschränkungen für den Import von EU-Produkten nach Großbritannien diskutiert werden. Dafür gab es zunächst jedoch keine Bestätigung. Das Ministerium verwies statt dessen auf Regeln für den Import von EU-Produkten nach Großbritannien, die im Laufe des Jahres auslaufen könnten. Man werde diese stetig »überprüfen«.
Anfang des Jahres hat Großbritannien den Binnenmarkt der EU endgültig verlassen. Zwar haben sich beide Seiten in ihrem mühsam vereinbarten Pakt prinzipiell auf zollfreien Handel geeinigt. Dennoch sind etliche neue Kontrollen und Formalitäten an den Grenzen notwendig, was viele Händler stark belastet. (dpa/jW)
Wer fürchtet sich eigentlich vor wem?
Polizei vor Kiezkneipen- oder Waldschützern, Instagram vor linken Bloggern, Geheimdienste vor Antifaschisten? Oder eher andersherum? Die Tageszeitung junge Welt entlarvt jeden Tag die herrschenden Verhältnisse, benennt Profiteure und Unterlegene, macht Ursachen und Zusammenhänge verständlich.
Unverbindlich und kostenlos lässt sich die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) probelesen. Abbestellen nicht nötig, das Probeabo endet automatisch.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- Toby Melville/REUTERS16.11.2020
»Brexit« wird Realität
- Kimimasa Mayama/Pool European Pressphoto Agency/dpa26.10.2020
Im Windschatten des Brexit
- Simon Dawson / Reuters16.06.2020
Heiße Luft gespart
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
»BER in staatlicher Verantwortung ist der bessere Weg«
vom 25.02.2021 -
Aus den Wolken gefallen
vom 25.02.2021