Historische Schiffswerft bedroht
Von Burkhard Ilschner
Für diesen Mittwoch haben die drei Regierungsfraktionen (SPD, Grüne, Linke) in der Bremischen Bürgerschaft eine Aktuelle Stunde zum Thema Lloyd Werft beantragt. Überraschend ist das nicht. Denn am Wochenende ereilte die rund 350 Beschäftigten der Bremerhavener Lloyd Werft folgende Nachricht: Der Mutterkonzern Genting Group, der das schon durch mehrere Krisen gegangene Unternehmen 2015 erworben hatte, will die Werft Ende dieses Jahres schließen – sofern sich bis dahin nicht ein Käufer gefunden hat. Das hat die IG Metall Radio Bremen am Sonnabend bestätigt. Die gute Nachricht dabei: Es gibt tatsächlich einen Kaufinteressenten, wie Anfang dieser Woche bereits bestätigt wurde.
Die knapp 160 Jahre alte Lloyd Werft hat eine turbulente Geschichte hinter sich; mal war sie selbständig, mal Teil größerer Verbünde. Genting, ein malaysischer Konzern mit Sitz in Hongkong, hatte die Firma gekauft, um an der Weser Kreuzfahrtschiffe für den asiatischen Markt zu bauen. »Der Lloyd«, wie es in der Region heißt, wurde zerlegt in eine Gesellschaft für Grundbesitz und Anlagen sowie eine fürs Personal. Kurz darauf erwarben die Besitzer aber auch die drei Nordic-Yards-Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund. Sie schufen daraus den MV-Werften-Verbund, um dort nun die riesigen Vergnügungsdampfer zu produzieren. Nach einem Abbau von gut einem Viertel der Stellen blieb dem abgehängten Lloyd nur die Perspektive, mit Umbauten und Reparaturen sowie Yachtbau zu überleben.
Zwar startete Genting an der Ostsee zunächst stark durch – wenngleich mit mehrfacher Stützung durch Bürgschaften, Landeshilfen und KfW-Kredite. Mit dem Beginn der Pandemie aber geriet der Konzern in den Strudel des »Kreuzfahrtlockdowns« und wegen einseitiger Fixierung auf diesen Markt alsbald in finanzielle Nöte. Für die Lloyd Werft gab es zunächst nur den Lichtblick, seit 2017 eine Luxusyacht mit dem Projektnamen »Solaris« bauen zu dürfen, die angeblich für den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch bestimmt sein soll. Erst vor wenigen Tagen sind erste Bilder von diesem Schiff publik geworden.
Weitere Aufträge gibt es derzeit nicht – aus triftigem Grund: Seit 2016 hatte sich die Lloyd Werft um den Bau des neuen bundesdeutschen Forschungseisbrechers »Polarstern II« beworben, und bis 2020 mehrere Millionen Euro in dieses Projekt investiert. Der Auftrag hätte die Werft mindestens stark beansprucht, wenn nicht ausgelastet. So gab es für Genting zunächst keinen Anlass für weitere Akquise. Anfang 2020 aber stoppte Berlin die Ausschreibung aus nicht näher erläuterten »rechtlichen« Gründen. Da steckte der Mutterkonzern Genting schon in der Coronakrise, der Lloyd fiel in ein Auftragsloch. Die Linke-Bundestagsabgeordnete Doris Achelwilm sprach in einer Pressemitteilung im vergangenen Juli von einem »Planungsfiasko« und forderte eine zügige Auftragsvergabe ohne EU-weite Ausschreibung. Nach jüngstem Stand soll nun in diesem Frühjahr ein neues Bieterverfahren gestartet werden – um so dringender muss jetzt über die Zukunft des Lloyd entschieden werden.
Die Chancen stehen nicht schlecht. Die lokale Rönner-Gruppe hat Interesse an der Lloyd-Übernahme bekundet. Geschäftsführer Thorsten Rönner hat laut Radio Bremen am Sonnabend nun eine »tragfähige und vor allem finanzierbare Lösung« angemahnt – und das richtet sich nicht nur an Genting bezüglich der Kaufpreisforderung, sondern auch an die Politik: Es geht dabei um staatliche Gelder, die Genting zur Rettung des MV-Werften-Verbunds erhalten hat. Der Bremerhavener Magistrat forderte, davon müsse der Lloyd etwas abbekommen. Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) sieht den Bund in der Pflicht, nicht nur Großkonzerne wie Genting abzusichern, sondern auch die dazugehörigen Werften, wie Radio Bremen am Montag berichtete.
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