Steuergeld für Benko
Von Gudrun Giese
Was nicht passt, wird passend gemacht. So lässt sich zusammenfassen, warum die angeschlagene Warenhauskette »Galeria Karstadt-Kaufhof« (GKK) immer wieder neue Staatshilfen während der Coronapandemie kassiert, obwohl sie vermutlich nicht die Voraussetzungen dafür erfüllt. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete am Montag über eine mögliche Fehlbewertung des Warenhauskonzerns des Immobilienmilliardärs René Benko. Das Unternehmen wurde im vergangenen Jahr in einem Insolvenzverfahren auf Kosten Tausender Beschäftigter »gesundschrumpft« und konnte in diesem Januar ein nahezu eine halbe Milliarde Euro umfassendes staatliches Nachrangdarlehen in Anspruch nehmen.
Laut Pressebericht sei es möglicherweise bereits problematisch gewesen, GKK im vergangenen Jahr ab 1. April ein Schutzschirmverfahren zu genehmigen, das im Juli 2020 in ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung überführt wurde. Nach den Vorgaben des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der sich unter dem Vorsitz der Bundesministerien für Finanzen sowie Wirtschaft befindet, dürfen nur Unternehmen staatliche Beihilfen erhalten, die wegen der Coronapandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Stichtag war der 31. Dezember 2019. Doch bei GKK gab es vermutlich schon vor diesem Stichtag eine erhebliche wirtschaftliche Schieflage. Vor der endgültigen Fusion von Karstadt und Galeria Kaufhof hatte dpa im Dezember 2019 geschrieben, dass das Unternehmen tief in den Miesen stecke. Allein bei Karstadt habe sich der Fehlbetrag für 2019 nach Angaben des damaligen Chefs Stephan Fanderl auf 78 Millionen Euro summiert. Und bei Galeria Kaufhof seien innerhalb von vier Jahren rund 600 Millionen Euro Verluste aufgelaufen, sagte Fanderl damals gegenüber dem Handelsblatt.
Nach diesen Zahlen wäre der Warenhauskonzern vor dem 31. Dezember 2019 ein »Unternehmen in Schwierigkeiten« gewesen und damit nach den Kriterien des WSF nicht förderungswürdig. Das Bundeswirtschaftsministerium beantwortete eine entsprechende Anfrage der SZ mit dem Hinweis, dass nicht allein der Stichtag für eine Beihilfengewährung maßgeblich sei, sondern der »gesamte nachfolgende Zeitraum«. Wer nach dem 31. Dezember 2019 kein »Unternehmen in Schwierigkeiten« gewesen sei, könne Hilfen erhalten. Nur intensivierten sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für GKK mit dem ersten Shutdown im März 2020 sehr schnell. Deshalb beantragte das Unternehmen ja auch das Schutzschirmverfahren zum 1. April, was ein weitreichendes Abwälzen von Schulden und finanziellen Lasten ermöglichte. Tatsächlich verzichteten Gläubiger wie Warenhausvermieter und Kommunen nach dem später genehmigten Insolvenzplan auf insgesamt 2,2 Milliarden Euro. Bundesweit 35 Filialen wurden geschlossen, rund 2.500 Stellen gingen verloren. Die Gläubiger sollten in zwei Tranchen je 100 Millionen Euro erhalten – weniger als fünf Prozent der erlassenen Summe, und das auch erst 2021.
GKK stand nach der Entschuldung und dem radikalen Schrumpfkurs für kurze Zeit wirtschaftlich gut da. Die Frage der SZ, ob das Bundeswirtschaftsministerium diesen Zeitpunkt herangezogen habe, um festzustellen, ob das Warenhausunternehmen Hilfen nach den Beihilferegelungen des WSF beziehen könne, bestätigte das Haus von Minister Peter Altmaier (CDU): Die Prüfung habe zum 1. Oktober 2020 stattgefunden. »Also zu einem kurzen glücklichen Moment kurz nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, aber auch kurz vor einem zweiten langen Shutdown« heißt es im Zeitungsbericht. Und der Autor stellt die berechtigte Frage, warum GKK-Eigentümer Benko, dem auch die milliardenschwere Signa-Holding gehört, nicht selbst 460 Millionen Euro für das Unternehmen aufbringe, da er doch nach eigener Erklärung an das »Geschäftsmodell Kaufhaus« glaube. Eine Antwort darauf steht allerdings aus.
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