Kabinett der Union Buster
Von Oliver Rast
Es ist leidlich bekannt: Geht es um Beschäftigtenrechte, versagt das Bundeskabinett – beim Schutz von Betriebsräten (BR) etwa. Der im März 2018 unterzeichnete Koalitionsvertrag zwischen Unionsparteien und SPD enthält ein paar flotte Redewendungen, mehr nicht. Dort steht unter anderem: »Wir wollen die Gründung und Wahl von Betriebsräten erleichtern.«
Die Umsetzung dürfte dauern. Denn: Am Mittwoch sollte ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) von Hubertus Heil (SPD) am Kabinettstisch beraten werden. Der sperrige Titel: »Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte«, kurz: Betriebsrätestärkungsgesetz. 29 Seiten, die jW vorliegen. Einer der Kernpunkte: Einen außerordentlichen Kündigungsschutz haben derzeit nur die drei Beschäftigten, die zur Wahlversammlung eines BR einladen. Nach dem Entwurf soll dieser Schutz bereits während der Vorbereitung für sechs Beschäftigte gelten, sofern sie eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgeben, einen BR bilden zu wollen. Der Hintergrund ist klar: Immer wieder geraten BR-Initiatoren ins Visier von Firmenbossen, werden gemobbt, verklagt und bisweilen mundtot gemacht.
Der Entwurf enthalte Regeln, die »überfällig sind«, sagte Johanna Wenckebach, Direktorin des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung, am Mittwoch zu jW. Regeln, die Regierungsmitgliedern offenbar schon zuviel Arbeiterschutz vor Union Busting, also professioneller Gewerkschaftsbekämpfung, bedeuten. Folge: Die Vorlage verschwand kurzerhand von der Tagesordnung. »Die regierungsinternen Abstimmungen dauern an«, teilte ein BMAS-Sprecher lapidar auf jW-Nachfrage mit.
Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann warf Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Blockade des Projekts vor. Dies sei »unsäglich«, sagte er am Mittwoch in Berlin. Viele Beschäftigte müssten immer noch mit Sanktionen oder gar Kündigungen rechnen, wenn sie die Initiative ergriffen, Betriebsräte zu gründen. Konkret wurde Markus Schlimbach, Vorsitzender des DGB in Sachsen, im jW-Gespräch: »Bis zu jede dritte Betriebsratswahl im Freistaat wird aktiv von Unternehmern behindert.« Mit gesetzlich verankertem Schutz für Belegschaftsvertretungen »würde die demokratische Teilhabe gestärkt«, betonte er. Die »Aktion Arbeitsunrecht« geht weiter: »Notwendig sind Schwerpunktstaatsanwaltschaften, und die Betriebsratsbehinderung muss zum Offizialdelikt erklärt werden«, sagte Sprecher Elmar Wigand gegenüber jW.
Einer kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte auf jW-Anfrage: »Der Gesetzentwurf ist noch nicht gescheitert.« Die Vorlage werde nur später beraten. »Ich wundere mich sehr«, so Weiß weiter, »dass der DGB derart auf den Putz haut.«
Verständnis dafür bringt hingegen Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Arbeitnehmerrechte, auf: »Immer neue Ministerankündigungen helfen niemandem weiter«, sagte sie jW. Die Bundesregierung müsse bei der betrieblichen Mitbestimmung endlich liefern, ihre »Arbeitsverweigerung« aufgeben. Für Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, ist selbst im Referentenentwurf des Gesetzes »kaum mehr als heiße Luft«. Auf Versprechen aus dem Hause Heils will sie nicht warten: »Forderungen zur Demokratisierung der Arbeitswelt« müssten jetzt lauter gestellt werden.
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