Babysitter wider Willen
Von Florian Günther
Der Kleine hatte hohes
Fieber, aber
sie saß in der Küche und trank.
*
Was soll ich denn
machen?
*
Gib ihm n Zäpfchen,
oder geh mit ihm zum Arzt.
Aber tu irgendwas!
*
Ich kann nicht, Fridolin.
*
Du willst nicht.
*
Kannst du ihn nicht
zum Arzt bringen?
*
Es ist dein Sohn. Wenn er
dableiben muss,
wollen sie ne Unterschrift
von nem Erziehungsberechtigten.
*
Aber ich kann doch nicht,
Fridolin. Ehrlich, es geht einfach nicht.
*
Ich zog den Kleinen an
und ging mit ihm zum Arzt.
*
Sind Sie der Vater?
Nee.
Bruder?
Nein.
Sonst irgendwie verwandt miteinander?
Der Kleine ist
der Sohn meiner Freundin.
Und warum kommt sie dann nicht selbst?
Ich schwieg.
*
Der Arzt gab mir ein Rezept,
nachdem er den Kleinen untersucht hatte,
und erklärte mir, was zu tun war.
*
Als wir nach Hause kamen,
saß sie immer noch auf ihrem Stuhl;
den Kopf auf der Tischplatte, die Arme
schlaff herunterhängend.
Ich zog den Kleinen wieder aus, legte ihn
ins Bett und gab ihm seine Medizin.
*
Was ist mit Mami? Ist sie tot?
Tote schnarchen nicht, Kumpel.
Kommst du wieder, Fridolin?
Klar doch. Was denkst denn du …!
*
Der Kleine lächelte tapfer,
und wir boxten ein bisschen miteinander.
Dann schrieb ich seiner Mutter einen Zettel,
legte ihren Schlüssel drauf
und zog die Tür hinter mir zu.
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