Spenden und Image
Von Johannes Greß, Wien
Die Terrorermittlungen gegen Vertreter der rassistischen österreichischen »Identitären« sind laut der Staatsanwaltschaft Graz eingestellt worden. Auslöser der Ermittlungen war eine Spende in Höhe von rund 1.500 Euro, die »Identitären«-Sprecher Martin Sellner im Januar 2018 von dem Attentäter erhielt, der im März 2019 im neuseeländischen Christchurch über 50 Musliminnen und Muslime tötete. Vorwürfe wegen Betrugs und Veruntreuung von Spendengeldern werden allerdings weiter untersucht.
Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelte seit März 2019 gegen Sellner und dessen Umfeld. Sellners Konten wurden geöffnet, eine Hausdurchsuchung angeordnet. Auf den Konten fanden sich Spenden eines äußerst »diversen Publikums«, wie Standard, Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR im Mai 2019 offenlegten. Darunter Anwälte, Ärzte, Professoren, Polizeibeamte, lokale AfD-Funktionäre, die Beträge zwischen 2,50 und 2.000 Euro spendeten. Insgesamt, so der Rechercheverband, habe Sellner monatlich fünfstellige Beträge erhalten.
Inwieweit der »Identitären«-Sprecher diese Summen auch an das Finanzamt meldete, ist nach wie vor Gegenstand der Ermittlungen. Wesentlich mehr Ärger brachte Sellner die Überweisung vom späteren Christchurch-Attentäter ein – sowie der E-Mail-Verkehr, auf den die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung stießen. »Ich möchte dir persönlich für deine unglaubliche Spende danken«, schrieb Sellner und betonte, dass er »wirklich überrascht und begeistert« sei.
Die Antwort des Spenders: Das sei lediglich »ein kleiner Betrag im Vergleich zu der vielen Arbeit, die du leistest«. Sellner bot ihm an, »wenn du je nach Wien kommst, müssen wir auf einen Kaffee oder ein Bier gehen«. Nur wenige Monate später verbrachte der spätere Attentäter nachweislich mehrere Tage in Österreich, buchte ein Mietauto und besuchte unter anderem das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Dass es je zu einem Treffen kam, bestreitet Sellner bis heute vehement. Aus dem im Dezember 2020 veröffentlichten Untersuchungsbericht der neuseeländischen Behörden geht hervor, dass auch der Attentäter in seiner Vernehmung angab, Sellner nie getroffen zu haben. Jedoch soll er nicht nur an ihn persönlich, sondern insgesamt 5.000 Euro an das Netzwerk der »Identitären« gespendet und Faschisten auf der ganzen Welt dazu aufgefordert haben, diese finanziell zu unterstützen.
Laut den österreichischen Behörden war Sellner im Mai 2019 »dringend tatverdächtig« und »nach gegenwärtigem Erkenntnisstand Mitglied eines, bis dato nicht näher verifizierbaren international agierenden rechtsextremen Netzwerks«. Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigte nun gegenüber der Nachrichtenagentur APA, dass die Ermittlungen gegen Sellner eingestellt wurden. Der »Identitären«-Sprecher hatte bereits im Mai 2020 Beschwerde eingelegt, das Oberlandesgericht Graz beantragte daraufhin die Einstellung des Verfahrens – wogegen wiederum die Ermittler Beschwerde einlegten. Diese wies das Oberlandesgericht nun erneut ab, womit das Verfahren nun endgültig zu den Akten gelegt wurde. Bereits Ende 2019 bekam Sellner vom Oberlandesgericht Graz recht: Die im Zuge der Ermittlungen durchgeführte Hausdurchsuchung und die Kontoöffnung waren rechtswidrig.
Ein wenig hat das »Image« der »Identitären« unter den Terrorermittlungen gelitten, mehrere prominente Unterstützer gingen öffentlich auf Distanz – ein neues Betätigungsfeld haben Sellner und Co. indes längst gefunden: Bei einer Demonstration von rund 10.000 Menschen gegen eine »Coronadiktatur« am vergangenen Sonnabend in Wien waren neben dem verurteilten Neonazi Gottfried Küssel, Exvizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und dem AfD-Abgeordneten Hansjörg Müller auch Sellner und seine Gefolgsleute zugegen.
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