»Löhne müssen unbedingt weiter gezahlt werden«
Interview: Chrisitan Bunke, Manchester
Am Wochenende hat sich in Großbritannien die »Zero Covid«-Kampagne auf einem Organisationskongress formiert. Wie kam es dazu?
Im Laufe des vergangenen Jahres machten mir und einigen anderen bestimmte Entwicklungen rund um die Pandemie immer größere Sorgen. Die Regierung setzte nicht die nötigen Schritte um. Gleichzeitig mobilisierten Verschwörungstheoretiker und rechte Kräfte auf der Straße und erzielten damit großen Widerhall in den Medien, während sich progressive Kräfte mit ihren Ansichten kaum Gehör verschaffen konnten. Ich und andere Mitstreiterinnen und Mitstreiter kamen zu dem Schluss, dass man eine unabhängige Graswurzelkampagne aufbauen muss. Im November haben wir in verschiedenen Städten Kundgebungen abgehalten, die sowohl offline als auch online stattfanden, so dass möglichst viele Menschen eingebunden werden konnten.
Auf unserem Organisationskongress gab es viele Workshops darüber, wie man sich an Arbeitsplätzen und in Nachbarschaften für wirksamen Gesundheitsschutz organisieren kann. Unter anderem hat auch der Generalsekretär der Bildungsgewerkschaft NEU (National Education Union, jW) teilgenommen. Die konnte so viel Druck aufbauen, dass die Regierung bei der geplanten Öffnung der Schulen zurückrudern musste.
Warum braucht es überhaupt eine solche Kampagne?
Wissenschaft ist in einer Klassengesellschaft nie neutral. Und die wissenschaftlichen Regierungsberater haben eine große Nähe zu großen Konzernen. Aufgrund dieser Beratung hat es in Großbritannien nie einen wirksamen Lockdown zur Bekämpfung des Virus gegeben. Fabriken, Baustellen und Sweatshops blieben geöffnet, die Leute stecken sich weiter an. Die sich jetzt abspielende Katastrophe in den Krankenhäusern haben wir bereits vor Monaten vorhergesehen. Und es könnte noch schlimmer werden. Die Regierung plant, zwischen elf und 13 Prozent der Bevölkerung zu impfen und dann alles wieder hochzufahren. Diese Strategie gefährdet Millionen Menschenleben und könnte weitere Mutationen des Virus bedeuten, wodurch früher oder später die Wirksamkeit der Impfstoffe gefährdet werden könnte.
Wie sieht Ihr Alternativkonzept aus?
Die Übertragung des Virus muss unterdrückt und gestoppt werden. Deshalb müssen alle nicht essentiellen Arbeitsplätze schließen. Die Löhne müssen aber unbedingt weiter gezahlt werden. In Liverpool haben zum Beispiel in den ärmsten Stadtteilen nur zehn Prozent der Bevölkerung an Massentests teilgenommen. Sie können es sich einfach nicht leisten, bei einem positiven Testergebnis in Quarantäne zu gehen. Außerdem müssen die völlig ineffizient und bürokratisch arbeitenden privaten Unternehmen bei den Test- und Nachverfolgungsverfahren abgezogen und durch öffentlich finanzierte, lokale Strukturen ersetzt werden.
Würde der von Ihnen geforderte Lockdown nicht verwundbare Bevölkerungsgruppen besonders hart treffen? In den letzten Lockdowns ist zum Beispiel die häusliche Gewalt gegen Frauen drastisch gestiegen.
Das stimmt. Deshalb fordern wir einerseits einen Community-Lockdown. Wir wollen solidarische Strukturen in den Nachbarschaften aufbauen, wie sie im vergangenen Jahr bereits ansatzweise entstanden sind. Wir wollen keinen repressiven Lockdown, wo die Polizei alles kontrolliert. Andererseits muss die durch jahrzehntelange Sparpolitik dezimierte lokale Infrastruktur in öffentlicher Hand sofort wieder ausfinanziert und aufgebaut werden. Dafür wollen wir eine Massenbewegung schaffen. 85 Prozent der Bevölkerung unterstützen unsere Ideen. Diese bislang passive Unterstützung muss nun aktiviert werden.
Im deutschsprachigen Raum verbreitet sich die Forderung nach einem europaweiten solidarischen Shutdown.
Das ist eine exzellente Idee. Das Virus zeigt doch, dass wir uns alle gemeinsam diesen Planeten teilen. Unsere Kampagne ist sehr am Aufbau internationaler Strukturen interessiert.
Roy Wilkes ist Mitglied der Steuerungsgruppe und Gründungsmitglied von »Zero Covid – Kampagne zur Bekämpfung der Pandemie«
Dein Onlineabo für Kuba & Sozialismus!
Das sozialistische Kuba mit all seinen Errungenschaften und historischen Erfahrungen verdient gerade in diesen Zeiten unsere Solidarität gegen Angriffe von Feinden und falschen Freunden. Mit einem Onlineabo der Tageszeitung junge Welt unterstützen Sie auch unsere solidarische Berichterstattung mit der roten Insel! Denn als konsequent linke Tageszeitung trägt sie sich allein durch die Abonnements ihrer Leserinnen und Leser.
Also: Jedes Abo zählt. Jetzt das jW-Onlineabo bestellen!
Ähnliche:
- Chile Apruebo/REUTERS14.01.2021
Kapazitätsgrenze erreicht
- Artur Widak/imago/ZUMA Press09.01.2021
»Irland steht unter dreifachem Joch des Imperialismus«
- John Sibley/Action Images22.12.2020
Schöne neue Coronawelt
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Widerstände in Mali
vom 19.01.2021 -
Streit über Mister Liu
vom 19.01.2021 -
Museveni bestätigt
vom 19.01.2021 -
Amazonas ohne Sauerstoff
vom 19.01.2021 -
Verschärfter Handelskrieg gegen Beijing
vom 19.01.2021 -
»Die Regierung hat den Bauern nichts zu bieten«
vom 19.01.2021 -
Wut auf USA
vom 19.01.2021