Ankara erhöht den Druck
Von Nick Brauns
In der Nacht zum Donnerstag wurden in der Türkei 48 Mitglieder der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP), darunter die Kovorsitzende Özlem Gümüstas, festgenommen. Die Zentrale in Ankara sowie Parteibüros in Istanbul und Izmir sowie Räume der linken Nachrichtenagentur Etha wurden durchsucht.
Die ESP arbeitet unter dem Dach der vor allem unter Kurden stark verankerten Demokratischen Partei der Völker (HDP). Nachdem in den vergangenen vier Jahren bereits rund 10.000 HDP-Mitglieder inhaftiert wurden, macht sich jetzt der Vorsitzende der faschistischen MHP, Devlet Bahceli, für ein Verbot der von ihm als »Separatistennest« diffamierten linksdemokratischen HDP stark, die bei Parlamentswahlen im Jahr 2018 noch 5,7 Millionen Stimmen erhalten hatte. Sollte der Kassationshof nicht aktiv werden, werde die MHP selbst »die nötigen Schritte« einleiten, drohte Bahceli, dessen Partei sich in einer Allianz mit der islamistischen Regierungspartei AKP befindet, zu Wochenbeginn.
Mehr als drei Wochen nachdem ein Gericht in Diyarbakir die Ex-HDP-Abgeordnete Leyla Güven als vermeintliche »Leiterin einer Terrororganisation« zu mehr als 22 Jahren Haft verurteilt hatte, wurde am Mittwoch die Urteilsbegründung veröffentlicht. Neben ihrer politischen Tätigkeit wie Reden auf Antikriegskundgebungen wird Güven darin »matriarchales Gedankengut« vorgeworfen. Hintergrund sind ihre Äußerungen zu einer vor Entstehung des Patriarchats in Mesopotamien bestehenden egalitären Gesellschaft ohne institutionalisierte Hierarchien. Damit habe sich Güven »in einem verleugnenden Umgang mit den Abstammungsregeln der Menschheit über die väterliche Linie« geäußert, was »sinnlosen Hass« erzeuge, meinen die Richter.
In 120 türkischen Gefängnissen findet derweil seit dem 27. November 2020 ein Hungerstreik von Tausenden politischen Gefangenen aus der kurdischen Bewegung statt. Dieser wird derzeit gruppenweise im Wechsel von fünf Tagen durchgeführt. Gefordert werden die Aufhebung der Isolationshaft für den seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali gefangenen Vordenker der kurdischen Freiheitsbewegung, Abdullah Öcalan, sowie eine Verbesserung der angesichts der Coronapandemie lebensbedrohlichen Haftbedingungen in den Gefängnissen.
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