Neuer Zaun für das Kapitol
Von Matthias István Köhler
US-Präsident Donald Trump hat am Donnerstag (Ortszeit) seine Anhänger dafür verurteilt, dass sie das Kapitol in Washington gestürmt haben. Er kritisierte in einer kurzen Videobotschaft über Twitter »die Gewalt, die Gesetzesbrüche und das Chaos« vom Mittwoch und rief zu »Versöhnung« und »Heilung« auf. Der Druck auf ihn war gestiegen. Trump wird vorgeworfen, für die Ausschreitungen verantwortlich zu sein, auch von seinem Kabinett – zwei Ministerinnen und weitere Regierungsvertreter sind bereits zurückgetreten.
Die Rufe nach einer Absetzung werden lauter. Die führenden Demokraten im US-Kongress, Nancy Pelosi und Charles Schumer, verlangten dies auf Grundlage des Zusatzartikels 25 der US-Verfassung: Der Präsident solle für amtsunfähig erklärt werden. Trump habe einen »bewaffneten Aufstand gegen Amerika« und einen »Umsturzversuch« angezettelt, so die Vorsitzende des Repräsentantenhauses Pelosi.
Derweil wird weiter darüber diskutiert, warum die Protestierenden ohne größere Probleme in das Gebäude gelangen konnten, von der für das Kapitol zuständigen Sicherheitsbehörde wurde bereits eine interne Untersuchung angekündigt. Der Chef der Kapitolpolizei, Steven Sund, wird am 16. Januar sein Amt abgeben, wie am Donnerstag bekannt wurde. Zuvor hatte Sund erklärt, man habe nur mit einer Kundgebung von Trump-Anhängern gerechnet. Er selbst habe noch nie einen vergleichbaren Einsatz erlebt, fügte Sund hinzu und verwies unter anderem auf die Entdeckung von zwei Rohrbomben.
Staatsanwalt Michael Sherwin sagte in einer Telefonkonferenz gegenüber Journalisten, insgesamt sei in 55 Fällen Strafanzeige gegen Protestierende erhoben worden. Bei den Ausschreitungen waren – Stand Donnerstag – 68 Menschen verhaftet und 56 Polizisten verletzt worden. Einer der Beamten ist seither seinen Verletzungen erlegen, wie am Donnerstag bekannt wurde. Der Polizist, der eine Demonstrantin erschossen hatte, wurde Sund zufolge zunächst beurlaubt. Eine Untersuchung des Falls wurde angeordnet.
Die Diskussion über das Geschehen in Washington spielt sich vor allem auch vor dem Hintergrund der Massenpräsenz und des extrem brutalen Vorgehens der Einsatzkräfte während der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt im vergangenen Jahr ab. Die weißen Trump-Anhänger hingegen spazierten in das Kapitol hinein und durften sogar für Selfies mit den Polizisten posieren. Über diesen Sachverhalt musste selbst der gewählte Präsident Joseph Biden nachdenken: »Niemand kann mir sagen, dass wenn gestern eine Gruppe von ›Black Lives Matter‹-Demonstranten protestiert hätte, sie nicht sehr, sehr anders behandelt worden wäre«, schrieb er am Donnerstag auf Twitter.
Unterdessen haben Kräfte der Hauptstadtpolizei begonnen, einen rund zwei Meter hohen Metallzaun rund um das Kapitol zu errichten. Polizeichef Robert Contee teilte am Donnerstag mit, dass die Maßnahmen zunächst für 30 Tage – also auch noch zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Biden am 20. Januar – bestehen bleiben. Bis zum Wochenende würden rund 6.200 Mitglieder der Nationalgarde aus verschiedenen Staaten die Polizei vor Ort unterstützen, sagte er.
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