Auf langer Linie
Von Jörg Kronauer
Sollte noch jemand Zweifel daran gehegt haben, dass die künftige US-Administration den Trumpschen Aggressionskurs gegen China im wesentlichen fortsetzen wird: Antony Blinken, Joseph Bidens designierter Außenminister, hat sie jetzt ausgeräumt. Nach der jüngsten Verhaftung von rund 50 Protestaktivisten in Hongkong erklärte Blinken, die Maßnahme sei »ein Angriff auf diejenigen, die sich tapfer für universelle Rechte einsetzen«. Washington werde nach dem Personalwechsel im Weißen Haus fest an ihrer Seite stehen – gegen Beijing. Die Ankündigung ist konsequent. Schon im Mai, damals noch als außenpolitischer Berater des Präsidentschaftskandidaten, hatte Blinken erklärt, eine Regierung unter Biden werde im Konflikt um Hongkong auf breiter Basis Sanktionen verhängen: gegen chinesische Regierungsmitarbeiter, gegen Finanzinstitute, Unternehmen. Man wird sehen, ob da auch ein wenig Wahlkampfgeklapper mitschwang. Die Richtung aber, die Washington ab dem 20. Januar einschlagen wird, liegt auf der Hand.
Das gilt nicht nur für Hongkong, wo ein Teil der in den vergangenen Wochen festgenommenen Aktivisten enge Kontakte nach Washington unterhält, im Gespräch mit US-Abgeordneten scharfe Sanktionen gegen China gefordert oder gar offen zur Abspaltung der einstigen britischen Kolonie aufgerufen hat. Blinken war Nationaler Sicherheitsberater des Vizepräsidenten Biden, als dessen Chef Barack Obama 2011 seinen Schwenk nach Asien (»Pivot to Asia«) verkündete und systematisch die Positionen der Vereinigten Staaten gegen China zu stärken begann – eine Verlegung von US-Streitkräften vom Atlantik zum Pazifik inklusive. Obamas »Pivot« zeigt: Bei dem anschwellenden Machtkampf gegen das aufsteigende China geht es um eine lange Linie der Washingtoner Politik. Entsprechend gibt es für aggressive Maßnahmen gegen Beijing schon längst eine klare überparteiliche Mehrheit im US-Kongress.
Nichts Neues im Westen also? Nun, kleinere Kurskorrekturen sind nicht auszuschließen. So hat Biden zwar angekündigt, zunächst an den Strafzöllen gegen China festzuhalten, also auch den Wirtschaftskrieg gegen Beijing weiterzuführen. Die designierte Handelsbeauftragte Katherine Tai plädierte im vergangenen Jahr für eine »robuste politische Unterstützung für aggressive und mutige Schritte« gegen China, riet dann aber zu einem »strategischeren Ansatz«, der Zwangsmaßnahmen sorgfältig plant – eventuell in Absprache mit Verbündeten, um eine breite, geschlossene Front herzustellen. Blinken wiederum hat geäußert – wohl mit Blick auf die Profite, die so mancher US-Konzern in China erzielt –, eine komplette Abkopplung von der Volksrepublik liege nicht in US-Interesse. Mit einigen Feinjustierungen ist demnach vielleicht zu rechnen, mit einer Abkehr vom US-Aggressionskurs jedoch nicht: Der Machtkampf gegen den aufsteigenden Rivalen kennt kein Pardon.
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