Wegfahrsperre am Bus
Von Kristian Stemmler
Nach dem Verbot von »Querdenken«-Kundgebungen in Leipzig und Freiburg versammelten sich am ersten Sonnabend nach Beginn des bundesweiten Lockdowns in den beiden Städten jeweils nur wenige Angehörige der Szene. In Leipzig wollte die Polizei augenscheinlich verhindern, dass sich das Debakel vom November wiederholt, als Tausende »Querdenker« mit Neonazibegleitung dicht gedrängt und fast durchweg ohne Maske in der Innenstadt demonstriert hatten. Der für diesen Sonnabend angekündigte Aufzug wurde mit Straßensperren und Verkehrskontrollen auf sämtlichen Ausfallstraßen und einem Aufgebot von rund 2.000 Polizeibeamten zumindest erschwert. Im sächsischen Vogtland griff die Polizei zu ungewöhnlichen Mitteln, um die Anreise zu unterbinden. Polizeibeamte versahen zwei Busse eines Reiseunternehmens mit einer Wegfahrsperre. Der Unternehmer habe Fahrten zu »Querdenken«-Demonstrationen im Bundesgebiet angeboten, so die Polizeidirektion. Dazu sei er derzeit aber nicht berechtigt.
Dass die Polizei ansonsten kaum in Aktion treten musste, könnte auf eine inzwischen wieder verringerte Mobilisierungsfähigkeit der »Querdenken«-Szene hindeuten. Wegen Verstößen gegen die sächsische Coronaschutzverordnung seien 105 Anzeigen erstattet worden, teilte die Polizeidirektion Leipzig am Sonnabend mit. Auf der Bundesstraße 181 im nordsächsischen Dölzig wurde am selben Tag ein Bus aus Bayreuth kontrolliert. Dabei sei festgestellt worden, so die Polizei, dass beide Fahrer und die 30 Insassen zur »Basisdemokratischen Partei Deutschland« gehörten. Die im Juli gegründete Organisation leugnet die Gefährlichkeit von Covid-19. Die Identitäten der Reisenden seien festgestellt, Anzeigen wegen Verstößen gegen die Schutzverordnung erstattet worden. Dann sei der Bus von der Polizei zur Landesgrenze zurückbegleitet worden.
Im badischen Freiburg und in Weil am Rhein versammelten sich an mehreren Stellen trotz eines Demonstrationsverbots kleine Gruppen, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Auch in Berlin und Hamburg gab es Kundgebungen. Am Sonnabend und Sonntag wurden dort Demonstrationen als »Schweigemärsche« abgehalten. Auf einer Website sprachen die Organisatoren von »permanenten Angstkampagnen«.
Die Zahl der Teilnehmer des »Schweigemarsches« in Berlin wurde von Beobachtern bei Twitter mit rund 200 angegeben, in Hamburg war von etwa 100 Teilnehmern die Rede. In der Hansestadt hatte das »Hamburger Bündnis gegen rechts« (HBGR) zu Gegenprotesten aufgerufen. Der »Schweigemarsch« auf dem Jungfernstieg wurde mit Trillerpfeifen und lauter Musik gestört. Kim Uhrig vom HBGR kritisierte die Versammlungsbehörde. Es sei »eine Farce, wenn weltweit Gesundheitssysteme an ihren Belastungsgrenzen arbeiten und Infektionszahlen in die Höhe schießen, eine solche gesundheitsgefährdende Versammlung zu genehmigen«.
Der Kovorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, erwartet derweil noch viel von der »Querdenken«-Szene. Er sagte gegenüber dpa, die AfD müsse als »Bewegungspartei« und Sprachrohr für Protestgruppen in die Wahlkämpfe ziehen. Daher müsse man auch Kontakt zur »Querdenken«-Bewegung oder zu »Pegida« in Dresden pflegen. Die AfD müsse nur aufpassen, dass nicht »irgendwelche Verrückten« im Namen der Partei Veranstaltungen anmeldeten. Kritik übte Gauland an Parteichef Jörg Meuthen. Der hatte sich bei der Eröffnung des Bundesparteitages in Kalkar Ende November deutlich von diesem strategischen Ansatz distanziert. Gauland sagte, Meuthen habe »eine Rede gehalten, mit der er die Hälfte der Partei beschädigt hat. Warum, das habe ich bis heute nicht verstanden.«
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