Wohltäterin des Tages: Die Schufa
Von Jan Greve
Freie Gesellschaften sind schon etwas Feines. Freie Menschen, freie Märkte, freie Meinung – das Ganze klingt einfach nach einem ursprünglichen Naturzustand. Wahre Freischwimmer orientieren sich nicht entlang künstlich angelegter Bahnen, sondern trotzen jeder Strömung und paddeln mal hierhin, mal dorthin. Klar, auch in Freibädern können sich Badegäste in die Quere kommen, manchmal geht auch einer unter. Dafür bekommen die, die sich über Wasser halten, mindestens ein Seepferdchen als Belohnung.
Um Abzeichen geht es auch beim freien Wirtschaften in der BRD: Wer zu den mehr als 67 Millionen Menschen zählt, deren Daten bei der größten deutschen Auskunftei Schufa hinterlegt sind und nicht kreditwürdig ist, der bekommt einen schlechten »Score«. Diese armen Schlucker können potentiell keine Rechnungen bezahlen und sind in der Folge weder einer Mietwohnung noch eines Mobilfunkvertrags würdig. Am Freitag verbreitete sich allerdings die frohe Kunde: Die Schufa testet derzeit in Zusammenarbeit mit dem Telefonanbieter Telefonica/O2 ein neues Produkt, fetziger Name inklusive: »Check now«. Wer einen schlechten Score hat, soll eine zweite Chance bekommen. Ja, so ist sie, unsere nette Auskunftheititei von nebenan: immer einen Rettungsring zur Hand.
Es gibt nur einen Haken: Für die zweite Chance muss selbiger in einem Kästchen gesetzt und damit der Schufa erlaubt werden, die eigenen Kontoauszüge auszuwerten – und damit alles über Einkommen und Ausgaben zu erfahren. Datenschutz über Bord! Aber wenn es gut läuft, kann das den Score verbessern. Das alles beruht selbstverständlich auf Freiwilligkeit der »Check-now«-Kunden. Logisch: Sich ausbeuten zu lassen ist in einer freien Gesellschaft ja auch nur das Resultat rationaler Kosten-Nutzen-Abwägung. Und wer sich nicht über Wasser halten kann, kann freiwillig tauchen üben.
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