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Aus: Ausgabe vom 07.07.2020, Seite 11 / Feuilleton
Ennio Morricone (1928–2020)

Absichtlich etwas schief

Vom »absichtlich etwas schiefen Mundharmonikaspiel« bis zur »sägenden E-Gitarre«, von der er selbst einmal sprach – manche Filmmusiken Ennio Morricones sind mindestens so berühmt wie die Filme, für die er sie komponierte. Am Montag ist der Italiener im Alter von 91 Jahren in Rom gestorben. Bis zuletzt habe er sich »seine volle Klarheit und große Würde« erhalten, teilte Familienanwalt Giorgio Assumma mit. Eine Todesursache nannte er nicht.

Morricone wurde am 10. November 1928 im römischen Stadtteil Trastevere geboren, bis 1956 studierte er am Conservatorio Santa Cecilia der Stadt und wandte sich dann zunächst der Neuen Musik zu. Anfang der 60er Jahre begann er, für Filme zu komponieren. Berühmt wurde er mit den großen »Spaghetti-Western« Sergio Leones: »Für eine Handvoll Dollar«, »Zwei glorreiche Halunken« und schließlich »Spiel mir das Lied vom Tod«. Dessen eingängiges Leitmotiv wurde auch am Set gespielt, Hauptdarsteller Charles Bronson erinnerte sich später, davon regelrecht »zugedröhnt« gewesen zu sein. Für den befreundeten Regisseur, mit dem er später auch an »Es war einmal in Amerika« arbeitete, war der Komponist eher ein Drehbuchautor, weil seine Musik manches ins Werk setzte, das anderenfalls hätte erzählt werden müssen.

Morricone komponierte auch Kammermusik für Solisten und Ensembles sowie Kantaten und Messen. Massenwirksamer aber waren etwa die zarten Oboenklänge, zu denen Jeremy Irons als Pater Gabriel in »Mission« (Regie: Roland Joffé) Kontakt mit dem Volk der Guaraní aufnimmt. Dieser Soundtrack war wie einige andere des Meisters als beste Filmmusik für den Oscar nominiert, erhalten hat Morricone diese Auszeichnung aber erst nach der für das Lebenswerk, nämlich im Alter von 87 Jahren für seinen Soundtrack zu Quentin Tarantinos Schneewestern »The Hateful 8«.

Er arbeite »nur mit Regisseuren, für die ich Freundschaft und Achtung empfinde«, hat der Komponist einmal gesagt. Dazu gehörten Bernardo Bertolucci (»1900«), Brian De Palma (»Die Unbestechlichen«), Roman Polanski (»Frantic«), Giuseppe Tornatore (»Cinema Paradiso«) und nicht zuletzt der Kommunist Elio Petri (»Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies«). Mehr als 500 Soundtracks hat er komponiert, darunter der für den Film »Sacco und Vanzetti« mit der Hymne »Here’s to You (Nicola and Bart)« (Text: Joan Baez). Auch aus dem experimentellen Rock ist sein Einfluss nicht wegzudenken. Mike Patton von Faith No More etwa veröffentlichte auf seinem Label Ipecac Recordings eine repräsentative Auswahl aus Morricones experimentelleren Stücken. (jW)

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