Widerstand in Oberwesel
Von Daniel Behruzi
»Die Loreley-Kliniken in Oberwesel und St. Goar müssen bleiben«, stellte der Verdi-Pflegebeauftragte für Rheinland-Pfalz, Michael Quetting, am Sonntag nachmittag bei einer Kundgebung im mittelrheinischen Oberwesel klar. Die Bevölkerung der Region wehrt sich gegen die von der Marienhaus-Unternehmensgruppe angekündigte Schließung der Klinikstandorte. Vor kurzem hatte der katholische Konzern dort noch einen Neubau angekündigt und dafür 22 Millionen Euro Fördermittel des Landes beantragt. Doch Ende Oktober erklärte er mit Verweis auf ein negatives Wirtschaftlichkeitsgutachten der Beratungsfirma »Aktiva« plötzlich, die Kliniken St. Goar und Oberwesel würden zum Jahresende bzw. bis Ende März 2020 geschlossen.
»Wir haben kein Verständnis für die chaotische Anarchie der Marienhaus GmbH«, sagte Quetting vor den rund 800 Demonstranten. Das Unternehmen habe die Stillegung beschlossen, ohne die Landesregierung, die betroffenen Kommunen oder die Beschäftigten auch nur zu informieren. »Keine Infos an die Mitarbeitervertretung, obwohl man ja davon spricht, man sei eine Dienstgemeinschaft. Man arbeitet mit einem Arbeitsrecht aus dem letzten Jahrtausend und nennt das Dritten Weg – peinlich.« Wie die meisten kirchlichen Träger verweigert auch die Marienhaus GmbH ihren Beschäftigten den Schutz von Tarifverträgen und regelt die Arbeitsbedingungen statt dessen auf dem kircheninternen »Dritten Weg«. Begründet wird das mit der sogenannten Dienstgemeinschaft – ein aus dem Faschismus stammender und nach 1945 von den Kirchen umgedeuteter Begriff, der den Beschäftigten mit Verweis auf einen »Verkündungsauftrag« grundlegende Rechte abspricht.
Von christlichen Werten oder gesellschaftlicher Verantwortung könne er im Vorgehen der Marienhaus-Spitze nichts erkennen, kritisierte Quetting, der den katholischen Konzern dazu aufforderte, sämtliche Rücklagen und an die Holding übertragene Gewinne für den Weiterbetrieb der Krankenhäuser zur Verfügung zu stellen. »Sie schulden dieser Region eine anständige Übergabe an die öffentliche Hand«, so Quetting an die Adresse der Marienhaus-Spitze. Diese ist ohnehin nicht gut auf Verdi zu sprechen, seit die Gewerkschaft vor zwei Jahren in der Marienhaus-Klinik im saarländischen Ottweiler mit der Forderung nach Entlastung erstmals ein katholisches Krankenhaus bestreikt hatte (jW berichtete).
Angesichts des Drucks aus der Bevölkerung hat der örtliche Verbandsbürgermeister Thomas Bungert (CDU) angeboten, eine Million Euro zur Verfügung zu stellen, um eventuelle Defizite im kommenden Jahr auszugleichen. Es hätten sich bereits fünf mögliche neue Betreiber gemeldet, so der Lokalpolitiker gegenüber dem Südwestrundfunk. Quetting plädiert hingegen für eine Rekommunalisierung der auf konservative Orthopädie spezialisierten Krankenhäuser. Um dabei Transparenz und die Beteiligung der Beschäftigten zu sichern, müsse ein Aufsichtsrat gebildet werden, in dem Verdi und betriebliche Interessenvertreter Stimmrecht haben.
Des weiteren fordert Verdi zunächst ein einjähriges Schließungsmoratorium, die Wahl eines Betriebsrats und Abschluss eines Tarifvertrags in den Kliniken sowie die Beauftragung eines neuen Gutachtens. »Was wir aber eigentlich brauchen, ist kein wirtschaftliches Gutachten, sondern ein Gutachten zur Grundversorgung der Menschen im Rhein-Hunsrück-Kreis unter der besonderen Berücksichtigung der überregionalen Bedeutung der konservativen Orthopädie«, argumentierte Quetting. Denn wirtschaftliche Gründe dürften für die Schließung von Krankenhäusern nicht ausschlaggebend sein. »Grund kann nur der Mensch sein. Nicht ›marktregulatorische Elemente‹ dürfen den Krankenhausplan ausmachen, sondern die gesundheitliche Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger.«
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