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Aus: Ausgabe vom 18.02.2016, Seite 11 / Feuilleton

Heiterkeit im Krematorium

Dass es nicht schlimmer werden könnte, dachte man schon vor Jahren über den deutschen Film, und musste sich eines Besseren belehren lassen. Ohne Fernsehen geht längst nichts mehr, und inzwischen kriegt die Rücksicht auf die Anspruchslosigkeit der Couchkartoffeln wirklich jede Ambition klein. Ausnahme, die die Regel bestätigt, ist seit ewig und drei Tagen »Das kleine Fernsehspiel« des ZDF, das auch »24 Wochen« finanziert hat, den seit langer Zeit einzigen deutschen Wettbewerbsbeitrag auf der Berlinale. Ist das Filmland BRD damit endlich auch in Berlin so bedeutungslos wie in Cannes, Venedig und Locarno? Man sei mit 350 Millionen Euro Förderung im Jahr und 151 deutschen (Ko-)Produktionen in »allen« Berlinale-Sektionen gut aufgestellt, hielt CDU-Kulturstaatsministerin Monika Grütters datgegen, aber wer konnte das ernst nehmen? Die Sektion »Perspektive Deutsches Kino« ist zuverlässig eine Gespensterbahn, und in den Genuss von Subventionen kamen zuletzt auch Meisterwerke wie »Fuck Ju Göhte 2« oder Schweigers Kino-»Tatort«.

Insofern war es eine schöne Idee des Verbands der deutschen Filmkritik, den Zustand des hiesigen Arthouse-Kinos am Vorabend der Berlinale in einem aufgehübschten Krematorium zu erörtern. Einen kurzen Einblick ins Förderwesen gab Bettina Reitz, ehemalige BR-Fernsehdirektorin und ZDF-Redakteurin. Wahrscheinlich sei das »Netzwerk von engen Freunden in den Gremien« etwas zu mächtig geworden, räumte sie ein, und hoffte auf die Bekämpfung der Übereinkünfte durch die junge Generation. Ließ man den Blick durchs Krematorium schweifen, bestand zu dieser Hoffnung wenig Anlass. Der Nachwuchs war in großer Zahl erschienen, wirkte jedoch seltsam uniformiert. Großes Modebewusstsein ließ keinen Raum für Eigenheiten, und an Wortmeldungen, die über persönliche Karrierehindernisse hinausgekommen wären, war nicht zu denken.

Filmhochschüler würden heute im ersten Semester den ganz großen Erfolg wollen, meinte Katrin Schlösser, Produzentin von Andreas Kleinerts »Wege in die Nacht« (1999) – was sie selbst zu erzählen haben könnten, sei den jungen Leuten völlig unklar. Für Heiterkeit sorgte ein Kurator aus Locarno, Sergio Fant, der den deutschen Film für kunstvolle Einstellungen von leeren Stühlen lobte, um zu ergänzen, dass es natürlich noch besser wäre, wenn auf solch einem Stuhl jemand säße, der etwas zu erzählen hätte. Da lachten die Ertappten, denen über die Beschäftigung mit Förderanträgen nie einfiele, auf eigene Faust etwa einen Film über Flüchtlinge zu drehen wie Fants Landsmann Gianfranco Rosi, dessen Lampedusa-Doku »Fuocoammare« im Berlinale-Wettbewerb gute Chancen haben soll. (xre)

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