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Aus: Ausgabe vom 29.05.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

Garnisonkirche

»Nationales Projekt«
Seit über 20 Jahren wird in Potsdam um den Wiederaufbau der 1730 bis 1735 errichteten, im April 1945 nach einem Bombenangriff ausgebrannten und 1968 auf Anweisung Walter Ulbrichts, des damaligen Staatsraatsvorsitzenden der DDR, gesprengten Garnisonkirche gestritten.

Bereits 1991 wurde in der brandenburgischen Landeshauptstadt das neu gegossene Glockenspiel der Kirche wieder eingeweiht. Stifter war die 1983 gegründete Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) unter Führung von Max Klaar, Oberstleutnant der Bundeswehr aus Iserlohn. Pferdefuß der großzügigen Gabe: Sieben der geschenkten 33 Glocken trugen Inschriften wie »Königsberg«, »Ostpreußen« oder »Schlesien«. Sie wurden kurz nach der Aufstellung diskret weggeschliffen. Bis 2004 hatte der rechtskonservative Offizier über sieben Millionen Euro für den Wiederaufbau gesammelt. Allein drei Millionen stammten von Versandhausunternehmer Werner Otto. Doch weil er bei dem Projekt die Richtung nicht mehr bestimmen durfte, entzog Klaar ihm die Gelder und überführte sie in die von der TPG gegründete »Stiftung Preußisches Kulturerbe«.

Am 15. April 2004 wurde von Bischof Wolfgang Huber, Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) der »Ruf aus Potsdam« zur Neuerrichtung der Kirche veröffentlicht. Am 23. Juni 2008 folgte die Gründung der Stiftung. Nach deren Angaben werden für den Gesamtbau 100 Millionen Euro benötigt. Allein für den Turm, der theoretisch zum Reformationsjubiläum am 30. Oktober 2017 eingeweiht werden soll, werden etwa 41 Millionen gebraucht.


Ursprünglich hieß es, der Bau solle ausschließlich aus Spenden finanziert werden, die Landesregierung hatte versichert, es werde kein Geld dafür geben. Die Stiftung hat jedoch bisher nicht einmal einen zweistelligen Millionenbetrag zusammen und strebt mittlerweile an, »ein Drittel aus privaten Spenden, ein Drittel aus Mäzenatentum und ein Drittel aus Leistungen der öffentlichen Hand« zu finanzieren. Letztere hat bereits reagiert: 2010 erhielt die Stiftung 2,2 Millionen Euro aus den Mitteln der ehemaligen Parteien und Massenorganisationen der DDR.

Altbischof Huber hat den Kirchenbau inzwischen zu einem Projekt von »nationaler Bedeutung« erklärt. Im Faltblatt der Stiftung heißt es gar, es könne der »Schlußstein der Deutschen Einheit« werden. (jf)

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