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Aus: Ausgabe vom 30.03.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

Carte blanche

Steuerimmunität für Lagarde
Berühmt wurde die hochgewachsene Dame mit dem silbergrauen Haar und den wehenden Hermès-Halstüchern als Nachfolgerin des gefallenen IWF-Direktors Dominique Strauss-Kahn, als »eleganteste Frau in der Politik« (Süddeutsche Zeitung) und als felsenfeste Partnerin deutscher Mammon- und Machtpolitik in Zeiten der sogenannten Finanzkrise.

Berüchtigt wurde die französische Juristin Christine Lagarde mit ihrem Beitritt zur Anwaltskanzlei Baker und McKenzie in Chicago, wo mit Hilfe des ehemaligen US-Sicherheitsberaters (bei Präsident James Carter) Zbigniew Brzezinski Rüstungsgeschäfte in Europa – unter anderem mit Griechenland – angeschoben wurden.

Verhaßt wurde sie, als sie den Griechen in Zeiten der Krise zwar nicht vom Ankauf deutscher oder US-amerikanischer Waffen abriet, sie dafür aber aufforderte, endlich ihre Steuern zu zahlen und sich auf diese Weise selbst aus der Krise zu befreien. Was Lagarde selbst an Steuern bezahlt, fand im Juni vergangenen Jahres die britische Zeitung Guardian heraus: Nullkommanichts. Als Angestellte des Internationalen Währungsfonds darf die Französin vom Fiskus nicht belästigt werden, sie genießt Steuerimmunität. Das Jahresgehalt der 56 Jahre alten Politikerin beträgt elegante 467940 Dollar, plus 84000 Dollar Spesenpauschale.


Über solche Summen lächeln kann in Lagardes Kreisen nur der ehemalige Chef der deutschen Firma Adidas, Bernard Tapie, einst auch Präsident des im mafiaverseuchten Marseille angesiedelten Fußballclubs und ganz früher ein Städtebauminister unter dem Sozialisten François Mitterand. Danach, inzwischen zum Rechtskonservativen bekehrt, unterstützte Tapie in den Wahljahren 2007 und 2012 Christine Lagardes ehemaligen Vorgesetzten Nicolas Sarkozy. Ob ihm das genützt hat, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden.

Am Ende seines Kampfes gegen die Bank Crédit Lyonnais und ihre staatlichen Anteilseigner ging der Schauspieler, Kicker und Tour-de-France-Entertainer als Sieger aus dem Ring. Sein »Schmerzensgeld« für erlittene Verluste bemaß ein Pariser Schiedsgericht im Juli 2008 auf 285 Millionen Euro. Die Richter stützten ihre Entscheidung auf ein Gutachten, das Christine Lagarde in Auftrag gegeben hatte. Das Geld erhielt Tapie aus der Staatskasse.

Im Juni 2011 nahm die französische Justiz Ermittlungen gegen die damalige Wirtschaftsministerin auf. Im Januar 2013 erfolgten im Rahmen dieser Ermittlungen Hausdurchsuchungen bei Tapie, im März 2013 auch bei Lagarde selbst. Lagarde ist, wie sie immer wieder lächelnd versichert, »vollkommen unschuldig«. (hgh)

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