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Aus: Ausgabe vom 18.04.2012, Seite 3 / Schwerpunkt

Wahlpirouetten: Sarkozy und die EZB

Wenige Tage vor dem ersten Wahlgang im Nachbarland hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy (UMP) den inoffiziellen Schweigepakt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) gebrochen. Bei seinem letzten großen Auftritt in Paris am Wochenende rief Sarkozy angesichts weiter schwächelnder Umfragewerte seinen Anhängern zu: »Die Zentralbank muß das Wachstum stimulieren, sonst werden die Euro-Länder nicht ausreichend wachsen.« Es dürfe in dieser Frage »kein Tabu und keine verbotenen Debatten geben«, sagte er unter dem Jubel der UMP-Anhänger. In einem Radiointerview erklärte der Präsident am Dienstag, er stelle damit nicht die Unabhängigkeit der EZB in Frage. Er wolle aber einen Dialog führen über die Rolle, die die EZB spielen könne. »Weil es die Unabhängigkeit gibt, muß man auch darüber reden können«, sagte Sarkozy im Radiosender France Inter. Er reagierte damit auf Äußerungen der Bundesregierung, die am Montag auf die Unabhängigkeit der EZB verwiesen hatte. Auf diese Linie hatte Merkel Sarkozy auch im vergangenen Jahr eingeschworen. Nach einem Treffen in Strasbourg hatte der Präsident im November erklärt, es werde »weder positive noch negative« Forderungen an die EZB geben.

Sarkozys Herausforderer François Hollande von der Sozialistischen Partei (PS) warnte Merkel, daß sie bei dem Präsidenten mit allem rechnen müsse. »Bei Nicolas Sarkozy kann sie sich auf nichts verlassen«, sagte Hollande der Zeitung La Voix du Nord. Erst sei der Präsident der Kanzlerin in der Euro-Krise bei allem gefolgt, nun habe er im Wahlkampf eine ganze Reihe von Wendungen vollzogen.


Der Chef von Sarkozys konservativer Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, widersprach in der Financial Times Deutschland (Dienstagausgabe) Berichten, das Verhältnis von Sarkozy zu Merkel sei abgekühlt. Daß der Präsident ursprünglich geplante Auftritte der Bundeskanzlerin in seinem Wahlkampf nicht mehr wünsche, sage nichts über das Verhältnis aus. »Das ist keine Krisen-Freundschaft, sondern eine echte», sagte Copé. Er wisse aber nicht, »ob Angela Merkel beleidigt ist«. (AFP/dapd/jW)

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