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Aus: Ausgabe vom 31.03.2012, Seite 16 / Aktion

Tatvorwurf: Widerstand

Berliner Staatsanwaltschaft und Gericht will das Stören von faschistischen Auftritten und das Veröffentlichen kritischer Texte bestrafen. junge Welt wehrt sich
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17. Juni 2011 in Berlin-Mitte: Während sie die Nazis schützt, nimmt die Berliner Polizei vor dem jW-Gebäude einen Antifaschisten fest
Stellen Sie sich vor: Vor Ihrem Haus findet ein Naziaufmarsch statt. Bekannte Neonazigestalten führen Hetzreden. Sie sind wütend, stehen auf dem Balkon Ihrer Wohnung, protestieren. Hinterher melden sich Gericht und Staatsanwaltschaft bei Ihnen: Sie hätten sich an Sprechchören gegen Nazis beteiligt. Zwischen 18.49 und 18.50 hätten Sie versucht, »einen Redebeitrag der Kundgebung dadurch zu stören, dass Sie wiederholt mit einer Suppenkelle auf einen Gastronom-Behälter schlugen.« Außerdem hätten Sie um 20.08 Uhr einen unbekannten Gegenstand in Richtung des Veranstaltungsraumes geworfen. Weil Sie mit solchen Handlungen die faschistischen Redner gestört haben, werden Sie zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt.

Unglaublich, aber wahr. Nur daß die Versammlung am 17. Juni 2011 nicht vor Ihrem Haus, sondern direkt vor dem Gebäude der jungen Welt stattfand. Eine jW-Leserin hat gemeinsam mit anderen gegen den Aufmarsch lautstark protestiert. Zivilcourage nennt man das. Dafür soll sie nun bestraft werden. Zuständige Behörden hatten zuvor den Naziaufmarsch mit dem ehemaligen NPD-Vorsitzenden in voller Absicht vor das jW-Gebäude verlagert. Kontakt mit der jungen Welt haben sie wie die vor Ort eingesetzte Polizei abgelehnt. Hunderte Gegendemonstranten begleiteten den Naziauftritt mit Sprechchören, auch von der Dachterasse der jungen Welt aus. Als der Spuk vorbei war, wurden Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer der jungen Welt, und andere jW-Leserinnen und Leser von der Polizei über längere Zeit einer »freiheitsbeschränkenden Maßnahme« unterzogen. Obwohl der Geschäftsführer sich als Pressevertreter auswies und von Polizeibeamten während der Festsetzung mißhandelt wurde, wird diesem nun vorgeworfen »einem Amtsträger, der zur Vollstreckung von Gesetzen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt Widerstand geleistet zu haben«. Koschmieder soll deshalb eine Geldstrafe von 1500 Euro bezahlen. Gegen beide Strafbefehle wurde Widerspruch eingelegt, ein Termin für die Hauptverhandlung steht noch nicht fest.

Dafür aber der nächste gegen jW-Chefredakteur Arnold Schölzel. Zwar wurde er vom Vorwurf, durch den Abdruck eines kritischen Redebeitrages der Publizistin und linken Aktivistin Inge Viett eine Straftat begangen zu haben, vom Amtsgericht bereits freigesprochen. Das aber gefällt der Berliner Staatsanwaltschaft überhaupt nicht, weshalb sie Berufung eingelegt hat. Schölzel habe seine »Verpflichtung, für die strafrechtliche Reinheit des Druckwerks zu sorgen, vorsätzlich verletzt«. Deshalb beantragt Oberstaatsanwalt Raupach »das Urteil aufzuheben und den Angeklagten (…) zu einer schuldangemessenen Strafe zu verurteilen.« Termin für die Berufungsverhandlung ist Mittwoch, 11. April, 13 Uhr vor dem Landgericht Berlin.


Auch der als »Hitler von Köln« bekanntgewordene Nazi Axel Reitz versuchte der jungen Welt Schwierigkeiten zu bereiten. Er beantrage Prozeßkostenhilfe beim Landgericht Köln, weil er nicht der »selbsternannte Hitler von Köln« sei, wie von der jW behauptet. Das Gericht folgte allerdings der Argumentation der jungen Welt und wies den Antrag wegen fehlender Erfolgschancen zurück.

Das sind nur einige Schlagzeilen aus Prozessen, mit denen wir es zur Zeit zu tun haben. Im ersten Quartal 2012 sind Prozeßkosten von über 13000 Euro angefallen. Damit wir uns auch weiterhin wehren können, bitten wir um Spenden für den Prozeßkostenfonds (Postbank Berlin, BLZ 10010010, Konto-Nr. 695 682 100, Kontoinhaber: Verlag 8. Mai, Stichwort: Prozeßkostenfonds).

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