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Aus: Ausgabe vom 29.03.2012, Seite 12 / Feuilleton

Wer ist dieser Hillger?

Von Susan Bonath

Sachsen-Anhalts erfolgreichster Dramatiker enttarnt

Theaterkritiker linkte jahrelang Mitteldeutsche Zeitung« lautet eine Schlagzeile im aktuellen Spiegel. In den letzten Tagen sorgte sie für einige Aufregung in Sachsen-Anhalt, wo viele Theater, Sparprogrammen sei Dank, mittlerweile den Charme von Baustellen versprühen, und im allgemeineren »die Sonne der Kultur so niedrig steht, daß selbst Lutherzwerge lange Schatten werfen«. So steht es im Drama »Jagd auf Junker Jörg«. Verfaßt hat dieses ein gewisser Frank Wallis, einer »der beiden« in Sachsen-Anhalt »am häufigsten gespielten Gegenwartsautoren«, wie das Magazin zu berichten weiß. Der andere heißt August Buchner. Daß es sich um Pseudonyme handelt, war bekannt. Manches mal wurde gefragt: Wer ist dieser Wallis? Oder: Ist der Buchner anwesend? Antwort geben konnte bisher niemand.

Der Spiegel hat die Identitäten nun aufgedeckt. Hinter den Pseudonymen steckt ein und derselbe. Sein Name: Andreas Hillger. Sein bisheriger Beruf: Redakteur und Theaterkritiker bei der Mitteldeutschen Zeitung. Den Job ist er jetzt los.

Die Personalie hat schon was: Seit 2007 verfaßte der 45jährige Stücke, vorrangig für die Theater in Wittenberg, Dessau und Halle. Nach der »Jagd auf Junker Jörg« wurde er zum Gejagten. Zu Wochenbeginn räumte Hillger öffentlich sein »Verbotenes Spiel« ein. Eines seiner Buchner-Stücke hat diesen Titel.


Die Chefs der Mitteldeutschen Zeitung ahnten von seinen Ambitionen nichts. Chefredakteur Hartmut Augustin zeigte sich am Montag im MDR »überrascht«. Er habe erst vor wenigen Tagen davon erfahren, sagte er dem Rundfunksender und ergänzte: »Das entspricht nicht unserem Verständnis von Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit.«

Dem Internetportal »Nachtkritik« versicherte Hillger am Montag, er sei sich »seiner Schuld bewußt, in einer Grauzone operiert zu haben«. Jedoch sei es ihm nicht um Bereicherung gegangen. Vielmehr habe er in seinen Theaterstücken Themen bearbeitet, die er journalistisch nicht hätte verwerten können. Häufiger habe er »auch gar kein Honorar verlangt«.

Für seine erste Nebentätigkeit im Jahr 2007 – die Arbeit an einem Stück, das er bereits mit August Buchner zeichnete – habe er einmalig die Genehmigung seines Arbeitgebers eingeholt. In den späteren Fällen habe er das versäumt. Hillger beteuerte, keine Kritiken zu seinen eigenen Stücken geschrieben zu haben. Als er von den Recherchen des Spiegel erfuhr, habe er sich der Chefredaktion seiner Zeitung »offenbart« und um Aufhebung des Vertrages gebeten. In der nächsten Zeit will er nicht mehr als Journalist arbeiten.

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