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Aus: Ausgabe vom 15.12.2009, Seite 3 / Schwerpunkt

Stellungnahme: Krieg oder Mord in Afghanistan?

Die friedenspolitische Organisation IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung) kritisierte in einer Stellungnahme am Montag gezielte Tötungen und fordert einen schnellstmöglichen Abzug der Besatzer aus Afghanistan

Die IPPNW kritisiert die Strategie gezielter Tötungen von Talibankämpfern und fordert die deutsche Bundesregierung auf, ihre Beteiligung an den Afghanistan-Einsätzen OEF und ISAF schnellstmöglich zu beenden. »Wenn es darum ging, feindliche Kämpfer zu töten – unter Inkaufnahme von zivilen Toten –, handelt es sich beim Afghanistan-Einsatz der deutschen Bundeswehr um Krieg. Wenn es bei dem ISAF-Einsatz nicht um Krieg geht, war der Angriff Mord – zumindest illegale Tötung. Viele Menschen, darunter Zivilisten und Kinder, wurden getötet, ohne daß ein Selbstschutz nötig war«, erklärt Prof. Dr. Ulrich Gottstein, Ehrenvorstandsmitglied der IPPNW.

Notwendig ist aus Sicht der Ärzteorganisation ein sofortiger Waffenstillstand, eine umfassende Aufklärung der seit über drei Monaten ungeklärten Ereignisse vom 4.September 2009 sowie die Aufnahme von Friedensverhandlungen mit den Aufständischen. Die IPPNW fordert den vollständigen Truppenabzug, verbunden mit einem klaren und kurzfristigen Zeitplan. Zudem muß Afghanistan umfassende Reparationen für die angerichteten Schäden erhalten und vollständig von Minen befreit werden. Die internationale Afghanistankonferenz im Januar 2010 muß neu strukturiert werden.

Die IPPNW kritisiert, daß die Strategie gezielter Tötungen offenbar auch mit dem Kanzleramt abgestimmt worden ist. Laut Leipziger Volkszeitung waren das Bundeskanzleramt, die Spitze des Verteidigungsministeriums sowie mit der Koordination der Geheimdienste beauftragte Regierungsvertreter vor und nach dem Luftangriff am 4. September 2009 unmittelbar in eine neue Eskalationsstufe in Afghanistan einbezogen. Teil der vorgegebenen Eskalationsstrategie sei auch die gezielte Ausschaltung der Führungsstruktur der Taliban gewesen. Diese sei vom damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und vom seinerzeit amtierenden Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan den Offizieren vorgegeben und vom Kanzleramt gebilligt worden.

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