Leserbrief zum Artikel Kritik der Geschichtswissenschaft: Berufsbedingte Affirmation
vom 12.10.2020:
Zum Leserbrief »Aus dem Ruder gelaufen«
In seinem Leserbrief »Aus dem Ruder gelaufen« kritisiert Peter Fellenberg den Artikel »Berufsbedingte Affirmation« von Theo Wentzke. Fellenberg meint, dass es richtige und falsche Geschichtswissenschaft gibt, die richtige würde »in ihrer Methodologie nach Entwicklungs- und Bewegungszusammenhängen sehr komplexer Prozesse … fragen«, im Gegensatz zu den »einseitigen« »Narrativen«. Wentzke solle doch in seiner Kritik bitte schön zwischen beiden differenzieren.
Ich möchte Herrn Fellenberg darauf hinweisen, dass er den entscheidenden Punkt des Artikels verpasst hat. Auch ein Pluralismus von Deutungen historischer Ereignisse ändert nichts daran, dass diese Deutungen sich doch immer auch auf die Gegenwart beziehen, die Vergangenheit sozusagen als Gleichnis für die Gegenwart gebrauchen wollen.
Genau darin liegt der Rechtfertigungsgedanke von Menschen, die mit der Geschichte argumentieren, ganz gleich ob man nun mit dem historischen Materialismus oder mit bürgerlichen Idealismus an die Sache herangeht. So hat die BRD lange Zeit aus dem Faschismus die Notwendigkeit einer wehrhaften Demokratie »abgeleitet«, die sich »gegen jeden Extremismus« wendet. Umgekehrt war das Totschlagargument des Ostblocks, dass er die Heimat des »realen Sozialismus« sei, im Gegensatz zu anderen linken »Spinnereien«.
Bisher hat noch kein Umsturz der bürgerlichen Gesellschaft funktioniert. Aus der Geschichte lässt sich dementsprechend auch nichts anderes »ableiten« als die »notwendige« Niederlage aller linken Bemühungen für eine andere Gesellschaft. Mit Geschichte zu argumentieren sollte also nicht die Sache von Linken sein.
Ich möchte Herrn Fellenberg darauf hinweisen, dass er den entscheidenden Punkt des Artikels verpasst hat. Auch ein Pluralismus von Deutungen historischer Ereignisse ändert nichts daran, dass diese Deutungen sich doch immer auch auf die Gegenwart beziehen, die Vergangenheit sozusagen als Gleichnis für die Gegenwart gebrauchen wollen.
Genau darin liegt der Rechtfertigungsgedanke von Menschen, die mit der Geschichte argumentieren, ganz gleich ob man nun mit dem historischen Materialismus oder mit bürgerlichen Idealismus an die Sache herangeht. So hat die BRD lange Zeit aus dem Faschismus die Notwendigkeit einer wehrhaften Demokratie »abgeleitet«, die sich »gegen jeden Extremismus« wendet. Umgekehrt war das Totschlagargument des Ostblocks, dass er die Heimat des »realen Sozialismus« sei, im Gegensatz zu anderen linken »Spinnereien«.
Bisher hat noch kein Umsturz der bürgerlichen Gesellschaft funktioniert. Aus der Geschichte lässt sich dementsprechend auch nichts anderes »ableiten« als die »notwendige« Niederlage aller linken Bemühungen für eine andere Gesellschaft. Mit Geschichte zu argumentieren sollte also nicht die Sache von Linken sein.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 14.10.2020.