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Leserbrief zum Artikel Geschichte der DDR: Zwischen Routine und Resignation vom 28.02.2019:

Ohne heiligen Schauer

Der Versuch, auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Gesellschaftstheorie eine neue sozialistische Gesellschaftsordnung aufzubauen, ist auf dem riesigen Gebiet von Berlin bis Wladiwostok, von Murmansk bis in die turkmenischen Steppen und von Peking bis Saigon gescheitert. Und das ohne gravierenden Widerstand auf diesem riesigen Gebiet von der für das Heil der Menschheit vorgesehenen Arbeiterklasse. Dieses Scheitern des Versuches der Gesellschaftselite, dem Heiligen Gral, Kardinalskollegium bzw. Politbüro anzurechnen ist lächerlich. Schon die einfache Frage: Wieso hat sich die Arbeiterklasse so eine Führung klaglos zugemutet? beweist die Unsinnigkeit. Schuld am Zusammenbruch dieses grandiosen Versuches sind nicht mangelnde Bildung der Leiter (Tischler, Dachdecker), nicht Charaktereigenschaften wie Herrschsucht oder Geldgier (siehe Ende der SU) der Eliten, sondern einfach ein falsche, nicht realisierbare Theorie. Diese Theorie war geeignet, während der Aufstiegsphase der kapitalistischen Gesellschaft ein Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse zu entwickeln, heute, da die Kerntruppe des Proletariats, die Bandarbeiterschaft, durch Automaten abgelöst wird, zeigt sich die Unhaltbarkeit dieser Theorie. Sowohl ihre Axiome Arbeitswerttheorie und Mehrwerttheorie als auch die davon abgeleitete Rolle der Arbeiterklasse in der kapitalistischen Gesellschaftsformation stellen reine Glaubensbekenntnisse dar. Zum Teil unbewusst, zum Teil bewusst verdrängt, spielt diese unsere Theorie in allen linken Bewegungen eine Rolle. Und solange wir uns an diese Theorie nicht in einer grundsätzlichen Diskussion heranwagen, sie als heiße Kartoffel behandeln, werden die linken Bewegungen weiter zersplittern und an Bedeutung verlieren. Wir haben keine Antworten, die über den Rahmen von SPD und Grünen hinausgehen - außer Illusionen. Trotz der unhaltbaren Axiome haben Marx und Engels wichtige Erkenntnisse geliefert, die zu studieren und zu diskutieren sind. Dazu sind wir aber nur in der Lage, wenn wir ihren Schriften nicht mit einem heiligen Schauer begegnen, sondern einfach mit wissenschaftlicher Neugier. Ich war übrigens zu DDR-Zeiten kein Philosoph oder so etwas. Ich war mein ganzes Berufsleben Landwirt in einer LPG auf allen möglichen Ebenen des Betriebes.
Lothar Ratai, Feldberger Seenlandschaft
Veröffentlicht in der jungen Welt am 05.03.2019.
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