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Leserbrief zum Artikel 100 Jahre Ende des 1. Weltkriegs: Kriegstreiber feiern Frieden vom 12.11.2018:

Falscher Kurs

Hurra, hurra – einer spannungsreichen Zukunft entgegen! Die wenigsten der über 70 Staatsoberhäupter, die am vorigen Wochenende in Paris des Endes des Ersten Weltkrieges vor hundert Jahren mit seinen 17 Millionen Opfertoten auf pompöse Weise gedachten, vertraten eine Politik aufrichtiger Friedenssicherung. Die Ergriffenheit mimenden höchsten Repräsentanten vermochten kaum das heuchelnde Pathos dieses großmachtpolitischen Auflaufs zu kaschieren. Die Gesichter – ob von Macron, Merkel oder von Trump und Putin – demonstrierten routiniert das gebührende diplomatische Schmierentheater, als sie ein »Nie wieder Krieg wie 1914« beschworen. Herrschaft bedarf ganz offensichtlich zur Bewahrung oder Festigung eigener Macht gegenüber den regierten Völkern dieser aufgeplusterten Heuchelei. Die vermeintliche Friedensbotschaft dieses Pariser Gipfeltreffens unterbreitete Angela Merkel zwei Tage danach vor dem EU-Parlament: Wie Frankreichs Präsident Macron fordert sie nunmehr freie Bahn für die Schaffung einer europäischen Armee neben den Streitkräftestrukturen der NATO. Hurra – das hat uns gerade noch gefehlt! Die Rüstungsausgaben in der Welt übersteigen bereits jetzt die des vorherigen Kalten Kriegs bei einer enorm gewachsenen Zerstörungskraft der heutigen Waffensysteme. Angela Merkel erhofft sich von einer EU-Armee eine wirksame Klammer für den künftigen Zusammenhalt der von Nationalismus und sozialökonomischen Ungleichgewichtskrisen geplagten EU. Wachsende Militarisierung führt unausbleiblich zu noch größeren internationalen Spannungen – nicht etwa nur mit Trumps USA oder Russland –, die für die gesamte Menschheit tödlich enden könnten. Der Zusammenhalt der EU sieht sich vor allem durch das Fehlen einer realen tragfähigen Konzeption für eine Sozialunion in Frage gestellt. Statt weiterer Militarisierung müsste diese Kurs auf eine für alle Völker der EU nachvollziehbare Angleichung ihrer Lebensverhältnisse nehmen. Das wäre dann für ganz Europa im positiven Sinne eine spannende Zukunft!
Prof. Gregor Putensen, Greifswald

Kommentar jW:

Dazu schrieb Cornelia Praetorius:

Das Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs in Paris kommentiert Prof. Putensen so, dass er meint, die Ergriffenheit mimten E. Macron, A. Merkel, D. Trump und Wl. Putin, und er bezeichnet die ganze Feierlichkeit als ein diplomatisches Schmierentheater, da die meisten der 70 Staatsoberhäupter offensichtlich wieder kriegsbereit seien. Will er damit sagen, dass Russland im Kampf gegen den »Islamischen Staat« Kriegslüsternheit zeigt oder dass es Syrien angegriffen hat, oder gar, dass es bereit ist, die NATO anzugreifen? Ich hätte von einem Professor erwartet, dass er mehr Geschichtskenntnis und geopolitische Wahrnehmung hat, als dass er vergessen könnte, dass seit der Revolution 1917 weder die UdSSR noch heute Russland je Aggressionskriege geführt haben. Von den vier Aliierten im Zweiten Weltkrieg war tatsächlich nur die UdSSR antifaschistisch und damit antiimperialistisch, und auch kürzlich wurde noch einmal von der Sprecherin der russischen Regierungspartei betont, dass Russland antifaschistisch sei. Insofern verbietet es sich, dieses in einem Atemzug mit den imperialistischen alten Kolonialmächten zu nennen.

Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.11.2018.
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