Leserbrief zum Artikel Kino: Gewaltige Landnahme
vom 23.08.2018:
Geliebt und gekämpft
Der Mensch wehrt sich in der Regel gegen das Aufdrängen einer Meinung, wenn diese dazu noch eine so negative ist, dass er sich quasi hineingezogen fühlt in eine persönliche Fehde, geht er meist richtig auf Abstand. Der Autor dieser Zeilen aber versucht dem vorzubeugen, indem er den Leser, der etwa eine andere Meinung zu haben wagt, schon im ersten Satz gleich mit verurteilt, denn es ist seiner Meinung nach »klar, diesen Film soll man nicht sehen!« Der Film »beschmutzt«, der Filmemacher ist »ein durch und durch staatsgläubiger Opportunist«, Dresen und Stiehler »denunzieren«. Geht’s nicht etwas bescheidener mit der Kritik, etwas sachlicher, vorsichtiger, weniger selbstgerecht? Ich frage mich, was dieser Schreiber für Worte finden will für diejenigen, die heute zum Tod von Angela Merkel aufrufen und in Chemnitz Menschen mit schwarzer Haarpracht durch die Straßen jagen? Rübe ab? Oder was für eine Steigerung kann es da noch geben? Vorsicht mit verbaler Gewalt! Sie geht meist der echten voraus!
Der Kommentar von diesem Hagen Bonn diskreditiert die Linke, ist ein Artikel, der die junge Welt mit einem Hetzblatt verwechselt (...)! Trotzdem verstehe ich den Schreiber. Tatsächlich, ich verstehe ihn. Bei der Entwicklung, die die sogenannte Wende genommen hat, ist es ihm völlig schnuppe, was der Sänger bei der Stasi gemacht hat, und die Liebesgeschichte hätte er auch weniger ausführlich gehabt. Er findet, dass sich die Auswahl dieser Themen dem Westen anbiedert. Genau das aber, die Stasi-Sache und die Liebesgeschichte, sind die Dinge, mit denen Dresen und Stiehler nun erstmalig auch die Aufmerksamkeit des Westens auf Gundermann gelenkt haben. Da ist einer, der widerspricht dem Bild des gemeinen, böswilligen Spitzels, der wollte verbessern helfen. Da ist einer, der war mal ein Fachmann einer versunkenen Klasse, die nun am Boden liegt, und hat darüber Lieder gemacht. Da ist ein Romantiker, der eine Frau geliebt und für sie gekämpft und sie schließlich erobert hat und glücklich mit ihr ist. Kitsch? Mag sein, aber man versteht dadurch seine Lieder. Und man kommt, das ist die Sache, für die Dresen immer gestanden hat, dem Ostdeutschen und seiner Geschichte näher. Eine Botschaft, die man im Westen erst mal unterbringen muss. Denn da geht es meist doch nur darum, den Spalt zwischen Ost und West immer weiter zu vertiefen.
Kommentar jW:
Hier findet sich eine ausführlichere Kritik der Autorin:
http://www.anjaroehl.de