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Leserbrief zum Artikel 25 Jahre Tafeln: In der Armutsindustrie vom 21.02.2018:

Grundsicherung nicht gewollt

Ein Leben in Bedürftigkeit bedeutet in der Regel, dass das Geld für den Lebensunterhalt nicht ausreicht und dringend zum puren Überleben benötigt wird. Neuanschaffungen oder Reparaturen von Haushaltsgeräten werden dann zu einer existentiellen Katastrophe, auch für Kleidung oder notwendige Medikamente bzw. Heilbehandlungen fehlt das Geld. Verschärft wird diese Situation u. a. durch Mieten, die von den Jobcentern nicht vollständig übernommen werden, und fehlerhafte Leistungsbescheide zu Lasten der Betroffenen. Das trifft auch erwerbstätige Menschen, die gezwungen sind, ihren mageren Verdienst mit ALG II aufzustocken, um zu überleben. Es ist erbärmlich, wenn Menschen im reichen Deutschland zwischen dem Gang zur Tafel oder Hunger entscheiden müssen. Darüber hinaus verfestigen Tafeln die unvorstellbare, massenhafte Armut, denn sie erleichtern es dem Personal der Arbeitsagenturen und Jobcenter, eine Vielzahl von Sanktionen zu verhängen. Dabei können schon sehr geringe »Vergehen« dazu führen, sanktioniert zu werden. Eine »falsche« Frage im Vorstellungsgespräch vielleicht oder die nicht erfolgte Abgabe längst vorliegender Formulare beim ALG-II-Folgeantrag. Scharf sanktioniert werden auch immer wieder Menschen, denen es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, bestimmte Tätigkeiten auszuüben. Der eigentliche Skandal ist, dass es in unserem reichen Land überhaupt Tafeln geben muss. Es ist genug für alle da, es muss nur umverteilt werden. Das gilt sowohl hinsichtlich des Vermögens als auch der Arbeitszeit. Hartz IV wurde erfunden, um Erwerbstätige erpress- bzw. ausbeutbar und Bedürftige gefügig zu machen. Davon profitieren allein die Arbeitgeber einschließlich der Weiterbildungs- und Beschäftigungsträger. Eine armutsverhindernde, sanktionsfreie Grundsicherung anstelle von Hartz IV würde hier Abhilfe schaffen. Diese ist aber im Kapitalismus offensichtlich politisch nicht gewollt.
Britta Littke-Skiera, Die Linke Bremen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 23.02.2018.
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