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Aus: Ausgabe vom 03.12.2016, Seite 16 / Aktion

Staatsgesinnung auf halbmast

Warum eine Zeitung wie die junge Welt unverzichtbar ist
Von Dietmar Koschmieder
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Ehrung für Fidel Castro auf der Terrasse der jungen Welt

Die fortschrittliche Welt verlor am vergangenen Samstag einen ihrer allerbesten: Comandante en Jefe Fidel Castro Ruz ist tot! Doch noch mit seinem Tod hilft Fidel, für Klarheit zu sorgen: In seinem eigenen Land sind die Dinge gut geregelt, die schäbige Rechnung vieler Antikommunisten, dass mit seinem Ableben auch der kubanische Sozialismus am Ende sei, haben Fidel und Genossen durchkreuzt. Die Welt erkennen kann man auch, wenn man die internationalen Reaktionen auf die aktuellen Ereignisse in Kuba beobachtet. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland drückte ihren mangelnden Respekt zunächst dadurch aus, dass sie nicht reagierte. Erst am Montag durfte dann der Regierungssprecher auf Nachfrage eines Journalisten verlautbaren lassen, dass Castro zwar eine »historische Gestalt«, sein Lebenswerk aber mit scharfen Worten zu kritisieren sei: Castros Revolution habe »die Insel und die Bewohner der Insel auf Jahrzehnte an ein System der politischen Unterdrückung gebunden«, verlautbarte Steffen Seibert.

Klassenstandpunkt

Respekt, wem Respekt gebührt! Bei anderen »historischen Gestalten« verhielt sich das politische Führungspersonal der Bundesrepublik viel herzlicher. Als im November 1975 zum Beispiel der faschistische spanische Regierungsgeneral Francisco Franco dahinschied, hatte die Bundesregierung ohne Rücksicht auf Geschichte oder Antifaschisten öffentlich Trauer bekundet und auf Gebäuden der obersten Bundesbehörden die Deutschlandfahne auf halbmast setzen lassen. Dafür hatte sie gute Gründe, wie Die Zeit am 28.11.75 treffend kommentierte: »Franciso Franco wäre ohne Adolf Hitler nicht an die Macht gekommen. Mit der entscheidenden Hilfe deutscher Militärberater und kämpfender Einheiten, deutscher Flugzeuge und Panzer, deutschen Kapitals hat er gegen eine freigewählte Regierung geputscht, einer europäischen Demokratie den Todesstoß versetzt«. Solche Formulierungen konnte man 1975 tatsächlich noch in bürgerlichen Medien lesen.

Gerne redet sich die Regierung dann auf »diplomatische Gepflogenheiten« heraus, die eben üblich seien, wenn ein amtierendes Staatsoberhaupt eines UNO-Mitgliedsstaates stirbt. Nun ist aber auch das südamerikanische Land Chile Mitglied der UNO, und als dessen freigewählter Staatspräsident Salvador Allende durch einen Putsch des General Pinochet getötet wurde, gab es keine Staatstrauer und keine Halbmastbeflaggung in der Bundesrepublik. Auch hier war eine offizielle Begründung schnell zur Hand: Allende sei ja durch einen Putsch ums Leben gekommen. Würde man da Flagge zeigen, mische man sich in innere Angelegenheiten eines Staates ein. »Staatsgesinnung auf halbmast«, analysierte Die Zeit damals messerscharf.

Ein superfeiner Kerl!

Aber nicht nur die Bundesregierung verhält sich in den letzten Tagen schäbig, auch die meisten Medien im Lande, deren Berichterstattung von antikommunistischen Reflexen geprägt war. Die Zeit aber, die als Wochenzeitung erst am Donnerstag dieser Woche erschien, hatte genug Gelegenheit, ihre Reaktion bewusst zu setzen. Herausgekommen ist dabei: Auf Seite zwei nichts als ein Twitter-Zitat des künftigen amerikanischen Präsidenten Donald Trump (»Fidel Castro ist tot!«). Auf Seite zehn dann endlich ein Nachruf mit der Überschrift »Ein superfeiner Kerl« – gemeint ist allerdings der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Hintze, der nur wenige Stunden nach Fidel Castro starb. Dann noch zwei Fotos mit Text und eine Buchbesprechung, die sozusagen mit Castro garniert ist. Sonst nichts auf den hundert riesigen Seiten der aktuellen Ausgabe von Die Zeit. Zeitungsgesinnung auf halbmast.

Eine Tageszeitung wie die junge Welt ist in diesem Land unverzichtbar. Wer umfassend über die Prozesse in Kuba informiert sein will, wer eine Berichterstattung auf seiten des Fortschritts, der Internationalen Solidarität und der Friedenskräfte braucht, kommt um die junge Welt nicht herum. Diese Zeitung braucht aber, um ihre Unabhängigkeit gegenüber Konzernen, Kirchen und Parteien bewahren zu können, mehr Leserinnen und Leser, die bereit sind, mit einem Abonnement die laufende Arbeit zu finanzieren. Eine Arbeit, die von keiner anderen Tageszeitung geleistet wird.

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