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21.09.2012, 11:29:08 / Venezuela wählt

Krieg der Umfragen

Von André Scheer
Wer hat recht? IVAD, Datanálisis, Hinterlaces, Consultores-21
Wer hat recht? IVAD, Datanálisis, Hinterlaces, Consultores-21

Venezuelas Opposition sieht sich auf dem Vormarsch. »Capriles' Vorrücken kann niemand aufhalten«, erklärte der Chef des Oppositionsbündnisses »Tisch der demokratischen Einheit« (MUD), Ramon Guillermo Aveledo, vor wenigen Tagen mit Blick auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts »Consultores 21«. Dieses hatte in einer am 30. Juli veröffentlichten Prognose erstmals den Präsidentschaftskandidaten der Regierungsgegner, Henrique Capriles Radonski, vor Amtsinhaber Hugo Chávez gesehen. Demgegenüber sah die Konkurrenz vom IVAD den Präsidenten in einer wenige Tage zuvor veröffentlichten Studie mit 52,3 Prozent immer noch 20 Prozentpunkte vor dem Herausforderer, während das Institut Hinterlaces am 16. August für Chávez 48 Prozent und für Capriles 30 Prozent voraussagte.

Gut sechs Wochen vor der Präsidentschaftswahl in dem südamerikanischen Land spitzt sich damit der vor solchen Ereignissen üblich gewordene »Krieg der Umfragen« also zu. Doch bei genauerer Betrachtung gibt es eine überraschende Gemeinsamkeit zwischen den drei Instituten: Seit Jahresbeginn sind die jeweils veröffentlichten Daten erstaunlich stabil. Der erbittert geführte Wahlkampf hat bislang offenbar nur wenige Venezolaner zu einer Änderung ihrer Entscheidung bewegen können. So hatte »Consultores 21« Chávez schon im März mit 46 gegen 45 Prozent nur knapp vor Capriles gesehen und am 3. Juli mit 45,9 gegen 45,8 praktisch ein Patt vorausgesagt. Bei IVAD lag Chávez demgegenüber schon im vergangenen Dezember 23 Prozentpunkte vor dem damals noch nicht namentlich feststehenden Kandidaten der Opposition, Ende April betrug der Abstand zum mittlerweile gekürten Capriles 24 Prozentpunkte. Ähnlich Hinterlaces: Im vergangenen Dezember lag der Vorsprung des Amtsinhabers bei elf Punkten, im April waren es 19, nun sind es 18.

Was jedoch die Glaubwürdigkeit der Institute angeht, ist ein Vergleich mit den letzten Präsidentschaftswahlen 2006 hilfreich. Damals hatte sich Chávez mit 62,85 Prozent gegen den für die Opposition antretenden Manuel Rosales durchgesetzt, der auf 36,91 Prozent kam. Nur wenige Tage zuvor hatte »Consultores 21« jedoch den Präsidenten bei 53 und seinen Gegner bei 40 Prozent gesehen – ein Abstand, der nur halb so groß war wie der tatsächliche. Die Konkurrenten IVAD und Hinterlaces hingegen schätzten die Differenz zwischen den beiden Kandidaten damals fast genau richtig ein, auch wenn sie beide zu niedrig taxierten.

Doch das Hochschreiben des Oppositionskandidaten durch »Consultores 21« und einige andere, weitgehend unbekannte Institute hat System. Anhänger des Präsidenten befürchten, daß dadurch unter den Regierungsgegnern der Eindruck erweckt werden soll, ihr Vertreter läge vor Chávez, oder daß das Rennen zumindest knapp sei. Dadurch könnten zumindest unter den Oppositionellen Betrugsvorwürfe auf fruchtbaren Boden fallen, wenn die Ergebnisse am 7. Oktober einen klaren Sieg des Präsidenten zeigen. In der Onlineausgabe von Tribuna Popular, der Zeitung der Chávez unterstützenden KP Venezuelas, verweist Diego Olivera in diesem Zusammenhang darauf, daß sich Capriles – im Gegensatz zu einigen seiner Verbündeten – bislang weigert, eine von der obersten Wahlbehörde CNE allen Kandidaten vorgelegte Erklärung zu unterzeichnen, daß er die offiziellen Ergebnisse anerkennen werde.

Während Capriles' Anhänger diese Haltung mit Verweis auf angeblich mögliche Wahlmanipulationen verteidigen, sprangen dem CNE Anfang August ausgerechnet die spanische Regierungspartei zur Seite. Nach einem Besuch des Wahlrats und Gesprächen mit hochrangigen Vertretern der Opposition und des Regierungslagers erklärte der Parlamentsabgeordnete der ansonsten scharf gegen Chávez polemisierenden Volkspartei (PP), Guillermo Mariscal, der Wille der Venezolaner sei »während des gesamten Prozesses geschützt«, es habe keinerlei gegenteilige Anzeichen gegeben.

Überwacht wird die Wahl unter anderem durch eine Beobachtermission der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR). Das entsprechende Abkommen war am 11. Juni bei einem Treffen der Außenminister des Staatenbundes in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá vereinbart worden und wurde am Mittwoch am Sitz des CNE in Caracas offiziell unterzeichnet.

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