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20.09.2021, 12:40:06 / Rosa-Luxemburg-Konferenz 2018

Kämpfer für Mensch und Umwelt

Nnimmo Bassey setzt sich für die Rechte der Gemeinden im Nigerdelta ein
Von Christian Selz, Kapstadt
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2010 erhielt Nnimmo Bassey (rechts) den »Alternativen Nobelpreis«

Zumindest international war das Ereignis noch eine Meldung wert. Am Abend des 2. Januar, so berichtete die Nachrichtenagentur Reuters tags darauf unter Berufung auf das dortige Energieministerium, brach in Nigeria das öffentliche Stromnetz zusammen, wieder einmal, landesweit. Ein Feuer an einer Gaspipeline habe den Stromausfall ausgelöst, hieß es. In weiten Teilen der auf dem Papier größten Volkswirtschaft Afrikas sei der Zusammenbruch des Netzes allerdings kaum bemerkt worden, schrieb die britische Agentur weiter, denn wegen der häufigen Unterbrechungen nutzten Geschäfte und Reiche eigene Generatoren, während »die weniger Wohlhabenden« schlicht »gar keine Elektrizität« hätten.

Die fast zum Normalzustand gewordene Stromkrise verdeutlicht zwei der Hauptprobleme Nigerias, gegen die Nnimmo Bassey seit nunmehr gut drei Jahrzehnten unermüdlich ankämpft: die Abhängigkeit des Landes von Öl und Gas und die extreme Ungleichverteilung von Reichtum. Bassey, ein studierter Architekt, ist heute Vorsitzender der Umweltschutzorganisation »Health of Mother Earth Foundation«. Der Schutz der Natur ging für ihn jedoch immer einher mit dem Kampf für Menschenrechte. Schon in den 80er Jahren setzte sich Bassey im Vorstand der »Civil Liberties Organization« für die Belange der von Ölkonzernen ihrer Lebensgrundlagen beraubten Gemeinden im Nigerdelta ein.

Der nigerianische Staat als Erfüllungsgehilfe der Ölkonzerne reagierte stets mit Repression auf seine Arbeit. In den 90er Jahren wurde er mehrmals ohne Prozess inhaftiert. 2010, und damit ein Jahr nachdem ihm trotz Akkreditierung der Zutritt zur UN-Weltklimakonferenz in Kopenhagen verwehrt worden war, wurde Bassey für sein Engagement mit dem als »Alternativer Nobelpreis« bekannten »Right Livelihood Award« ausgezeichnet.

Die Ehrung mag inzwischen bald acht Jahre zurückliegen, doch Bas­seys Arbeit bleibt, wie die Probleme im Nigerdelta, aktuell. Denn während sich internationale Konzerne und korrupte Eliten dort an der Ölförderung bereichern, lebt die Mehrheit der Nigerianer nicht nur »weniger wohlhabend«, wie Reuters es so nett umschrieb, sondern in bitterster Armut. Für die Menschen im Delta kommt hinzu, dass sie ihrer traditionellen Lebensgrundlagen infolge der mit der Ölförderung einhergehenden Umweltzerstörung beraubt wurden. Boden und Wasser sind verseucht, Fischerei und Landwirtschaft vermögen die Einwohner der einst an natürlichen Ressourcen reichen Region kaum noch zu ernähren. Statt dessen führt die Verschmutzung durch das Abfackeln des bei der Erdölförderung anfallenden Gases zu Atemwegserkrankungen, Krebs, Leukämie und anderen Leiden.

Als die Probleme nicht mehr zu leugnen waren, begannen die Ölkonzerne Gaspipelines zu bauen. Sie priesen dies als Maßnahme zum Schutz von Umwelt und Klima an, die Weltbank überwies Fördermittel. Doch Bassey wies schon 2006 in einem bei Pambazuka veröffentlichten Papier darauf hin, dass damit nur eine zusätzliche Gasförderung subventioniert wurde, während das weniger rentable, bei der Ölförderung als Nebenprodukt anfallende Gas größtenteils weiter abgefackelt wurde. Minutiös listete er zudem auf, wie der nigerianische Staat die friedlichen Proteste von lokalen Gemeinden, die unter der Ölförderung litten, immer wieder mit Massakern niederschlug.

Nutzlos waren die Kämpfe trotzdem nicht. Mächtige Giganten wie Shell und Chevron mussten Vergehen eingestehen und sich in Gerichtsprozessen verantworten. Doch an der generellen Lage der Menschen in Nigeria und insbesondere im Nigerdelta hat sich noch immer wenig geändert. Das, darauf hat Bassey immer wieder hingewiesen, kann erst passieren, wenn die Bodenschätze unter der Kontrolle der lokalen Bevölkerung sind.

Lesen Sie dazu auch Nnimmo Basseys Artikel »Die Kunst einer vergangenen Idylle. Wie Kulturschaffende den Ökozid im Nigerdelta verarbeiten« in vollständiger Länge in Melodie & Rhythmus

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