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29.04.2013, 20:25:52 / Entscheidung in Venezuela

Großdemos in Caracas

Von André Scheer
1. Mai 2012 in Caracas
1. Mai 2012 in Caracas

Hunderttausende Menschen werden am 1. Mai in Caracas auf die Straße gehen, um für oder gegen die Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro zu demonstrieren. Allein für die Großdemonstration der linken Gewerkschaften werden eine halbe Million Menschen erwartet, die von zwei Punkten der Hauptstadt zur Avenida Bolívar im Zentrum ziehen werden. Staatschef Maduro, der vor seiner politischen Laufbahn selbst Busfahrer und Gewerkschafter war, hat angekündigt, den Zug anführen zu wollen.

Zeitgleich ruft auch die Opposition zu Demonstrationen auf, mit denen sie gegen die in ihren Augen ungenügende Erhöhung des Mindestlohnes und der an diesen geknüpften Gehälter und Renten protestieren will. Am 1. Mai tritt zunächst eine Steigerung um 20 Prozent in Kraft, weitere Steigerungen von jeweils zehn Prozent sind von der Regierung für September und November angekündigt worden.

Die Lage in dem südamerikanischen Land ist seit der Präsidentschaftswahl vom 14. April angespannt. Nach dem überraschend knappen Wahlsieg Maduros, der sich mit 50,8 Prozent durchsetzen konnte, hatten Anhänger des unterlegenen Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski Straßenbarrikaden errichtet, Gesundheitszentren der in Venezuela tätigen kubanischen Ärzte und Regierungseinrichtungen attackiert. Offiziellen Angaben zufolge kamen dabei mindestens neun Menschen ums Leben.

Am vergangenen Mittwoch wurde in Caracas ein US-Amerikaner festgenommen, der in die Ausschreitungen verwickelt sein und Oppositionsgruppen mit Finanzmitteln ausländischer »Nichtregierungsorganisationen« versorgt haben soll. Innenminister Miguel Rodríguez Torres präsentierte dazu am vergangenen Donnerstag Videoaufnahmen, die bei einer Razzia in dessen Unterkunft im Mittelschichtsviertel Bello Monte in Caracas gefunden worden seien. Darauf sind mutmaßliche Aktivisten oppositioneller Jugendgruppen zu sehen, die offenbar darüber verhandeln, wieviel Geld sie brauchen, um in den Bundesstaaten des südamerikanischen Landes Unruhen auszulösen.

Auf dem präsentierten Material ist auch der frühere Armeegeneral Antonio Rivero zu sehen, der am Sonnabend in Caracas ebenfalls verhaftet wurde. Die Aufnahmen mit dem heutigen Chef der Oppositionspartei Voluntad Popular (VP, Volkswille) zeigen diesen, wie er während einer Demonstration Jugendliche anleitet, sich der Polizei entgegenzustellen. Dabei ist auch von Steinen und Flaschenwürfen die Rede.

Für die meisten Medien ist der verhaftete Timothy (Tim) Hallett Tracy hingegen unschuldig. Geht es nach der New York Times oder der Nachrichtenagentur AP, ist er nur ein etwas naiver Filmemacher. Bei einer Party in Südflorida habe Tracy eine hübsche Venezolanerin getroffen, die ihn heiß auf das südamerikanische Land gemacht habe: »Wenn du wirklich ein Dokumentarfilmer bist, würdest du nach Venezuela gehen und erzählen, was dort passiert.« Das habe der 35jährige prompt getan, ohne sonderlich gut Spanisch zu sprechen und ohne sich über die politischen Bedingungen in dem Land zu informieren. Auch auf eine Akkreditierung als Journalist beim Informationsministerium – die für die Arbeit vor Ort sehr hilfreich ist – verzichtete er offenbar.

Vor seiner Reise war Tracy in untergeordneter Funktion an mehreren Fernsehproduktionen beteiligt, so an der Dokumentation »Under Siege«, in der ein Filmteam Beamte der US-Homeland Security bei der Grenzbewachung und »Terrorismusbekämpfung« begleitete. Produzent dieses Streifens ist Aengus James. Dessen Freibrief für Tracy fällt nicht ganz so aus, wie er über einen befreundeten Berufskollegen sprechen sollte: »Sie haben keinen CIA-Agenten, sie haben keinen Journalisten, sie haben ein Kind mit einer Kamera.«

Unstrittig sind jedoch Tracys Verbindungen zu oppositionellen Jugendgruppen. Ob er diesen tatsächlich Geld übergeben hat, wie es in der Anklage heißt, läßt sich aus den veröffentlichten Dokumenten nicht ersehen. Offensichtlich aber hat er mit den Jugendlichen, die durch seine Aufnahmen ebenfalls in das Visier der Justiz geraten sind, über hohe Geldmittel gesprochen, um Unruhen anzuzetteln.

Dem zuständigen Untersuchungsrichter in Caracas reichten die von Staatsanwalt Luis Trocelis am vergangenen Sonnabend vorgelegten Beweise aus, um Tracy in Haft zu nehmen. Die Anklage lautet auf Verschwörung, auf Mittäterschaft und Unterstützung krimineller Handlungen sowie auf Urkundenfälschung. Medienberichten zufolge hatte Tracy bei seiner Festnahme auf dem internationalen Flughafen Maiquetia einen gefälschten Personalausweis bei sich.

Erscheint in der Ausgabe vom 30.4./1.5.2013 der Tageszeitung junge Welt

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