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#wsf2018

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Widerstehen heißt gestalten, widerstehen heißt verändern: Vom 13. bis 17. März 2018 fand in Salvador da Bahia im Nordosten Brasiliens das vierzehnte Weltsozialforum statt. junge Welt berichtete direkt vom Treffen der sozialen Bewegungen und NGO.

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    Für eine solidarische Welt

    In Salvador da Bahia fand das globale Gipfeltreffen der Alternativen statt. Es stand im Zeichen des Kampfes der brasilianischen Linken
    Peter Steiniger
    Das Weltsozialforum vereinte politisch Aktive aus 120 Ländern – engagiert in sozialen Bewegungen, Parteien, Gewerkschaften, Organisationen von Frauen, Schwarzen und Indigenen. Unter den Teilnehmern waren auffällig viele junge Menschen (Foto von der Auftakt am 13.3.)
    Zum 200. für eine veränderbare Welt, mit Samba, Poesie und Forró: Der Block »Söhne und Töchter von Marx«, eine politische Karnevalsgruppe aus Salvador, war auch beim WSF zu hören und zu sehen
    Weiter ein Steher: Brasiliens Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva bei der Demokratiekundgebung im Stadion Pituaçu (15.3.). »Sie wollen mich einsperren? Dann werdet ihr meine Stimme sein!« Am 12. April soll in Lissabon das Internationale Solidaritätskomitee für Lula gegründet werden
    Der Campus der Universidade Federal da Bahia wurde für Tausende zu einer Schule für alternatives Denken und revolutionäre Ideen mit lebendigen Debatten
    Der Kampftanz Capoeira macht in Salvador einen wichtigen Teil des afrikanischen Erbes aus
    Der Schutz von Umwelt und Natur vor ungebremster Ausbeutung war Gegenstand vieler Seminare und auch künstlerischer Aktionen
    Es war besonders auch ein Weltsozialforum der Frauen, die mit ihren Forderungen überall stark präsent waren und kämpferisch auftraten
    Die Rechte der Indigenen, der leidvolle Kampf um ihr Land bildeten einen Teil der Agenda
    Vor allem viele jüngere Teilnehmer campierten während der Festivaltage in Zelten. Angesagt waren bei tropischen Temperaturen die schattigen Plätze

    Vorbei sind die Zeiten, in denen westliche Leitmedien dem Event Schlagzeilen widmeten, es in den Berichten von den Zusammenkünften der globalen Kapitalelite gern für den Gegenschuss nutzten. Das liegt nicht nur daran, dass das Weltsozialforum nicht mehr synchron läuft mit dem Weltwirtschaftsforum von Davos. Die Krise machte Banken paradoxerweise relevanter als die Denkfabrik der Alternativen.

    Das Meeting der sozialen Bewegungen und NGOs verließ seinen Gründungsort Porto Alegre in Brasilien und besuchte andere Kontinente, so das Tunesien des »arabischen Frühlings«. Auf seiner letzten Station 2016 in Kanada blieb vielen Aktivisten aus dem globalen Süden der Zutritt verwehrt. Der Schwung des Anfangs im linken Aufbruch Lateinamerikas schien nach anderthalb Jahrzehnten verbraucht, die »andere Welt« wieder entrückt, ein Abspann ohne großes Publikum nicht mehr fern.

    In diesem Jahr kehrte das Weltsozialforum in sein Geburtsland zurück, wo nun wieder das Herrenhaus kommandiert. Vom 13. bis 17. März war Salvador da Bahia, die afrobrasilianische Metropole mit ihrer großen Tradition schwarzen Widerstands, Austragungsort seiner vierzehnten Ausgabe. Es kam in ein Land, das nach dem parlamentarischen Putsch dem neoliberalen Ausverkauf preisgegeben ist. In dem die Arbeitenden schwerste soziale Kämpfe zu führen haben. In dem von der formellen Demokratie nicht viel übrig ist und wo sich die Hoffnung auf bessere Zeiten für Millionen wieder mit einem Namen verbindet: Lula. Eine Hoffnung, die durch politische Justiz ausgelöscht werden soll.

    Und so war das Weltsozialforum von Salvador natürlich auch innenpolitisch und insbesondere für Lulas Arbeiterpartei ein enorm wichtiges Ereignis, war man aufeinander angewiesen. Nicht das Trennende, sondern die Solidarität, der gegenseitige Respekt und das gemeinsame Lernen machen den Geist dieses Festivals aus, das unterschiedlichen weltlichen und spirituellen Überzeugungen, verschiedenen Traditionen und Kulturen Raum gibt. Ein Miteinander der Kraft der Ideen und der Kraft der Straße.

    Überschattet wurde das Forum durch den Mord an der linken Lokalpolitikerin Marielle Franco in Rio de Janeiro. Trotz der Wut und Trauer verhalf Brasilien dem Gegenprojekt zu einer Globalisierung durch Raubbau an Mensch und Natur zu neuem Leben: Zu den 20.000 Teilnehmenden an den Veranstaltungen und Seminaren kamen weitere Zehntausende Besucher, Demonstranten, Feiernde. Salvador schenkte Leidenschaft und nicht zuletzt auch die Lust und die Freude, die der Kampf gegen kapitalistisches Unrecht an jedem Ort braucht.

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    Gegen Temer, in internationaler Solidarität

    Peter Steiniger

    Zehntausende auf den Straßen von Salvador da Bahia zum Auftakt des vierzehnten Weltsozialforums. Vom Platz des 2. Juli (besser bekannt als Largo do Campo Grande) zieht am späten Dienstag nachmittag ein langer und lebendiger Demonstrationszug durch die Innenstadt in Richtung des Barra-Viertels. Fahnen und Transparente der linken Parteien und der Gewerkschaften Brasiliens sind zu sehen und hier und dort auch die Flaggen internationaler Organisationen, die am WSF teilnehmen. Die Slogans der Sprechchöre richten sich vor allem gegen die illegitime Temer-Regierung und deren neoliberale Projekte. Die Menschen feiern Lula. Es wird getrommelt und gesungen. Impressionen von einem großartigen Start – mit einer starken feministischen Note – in den globalen Workshop der sozialen Bewegungen.