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Aus: Kapital & Monopol, Beilage der jW vom 01.12.2021
Kapitalakkumulation

Börsenboom und Stagnation

Spekulationsgeschäfte befeuern die Macht der Großkonzerne. Regierungen im »Westen« haben keine Strategie gegen Fäulnis und wirtschaftlichen Zerfall
Von Simon Zeise
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Vom Regen in die Traufe. Banker wissen kaum mehr wohin mit ihrem Geld. Die Krise wird zum Dauerzustand

In der Coronakrise wird kräftig umverteilt. Die Geschäfte von Banken, Spekulanten und Großkonzernen laufen wie geschmiert. Die Aktienkurse an der Wall Street und in Frankfurt am Main haben neue Höchststände erreicht. Weltweit ist die Zahl der Millionäre auf 56,1 Millionen Personen gestiegen – allein in der BRD ist diese sich den Mehrwert der Werktätigen aneignende Spezies auf 2,95 Millionen Menschen angewachsen. Dies entspricht der Bevölkerungszahl von zwei deutschen Metropolen. Es ist so, als ob Köln und Hamburg nur noch von Millionären bewohnt würden.

Nie zuvor hat es so viele Konzerne an die Börse gezogen wie im ersten Halbjahr 2021. Das Emissionsvolumen von Erstnotierungen deutscher Unternehmen hat die Marke von acht Milliarden Euro durchbrochen. Die Kapitalkonzentration hat ein Niveau erreicht, das mittlerweile auch im »Westen« als Problem wahrgenommen wird. Doch die Regierungen sind, selbst wenn ein Wille vorhanden ist, nicht mehr in der Lage dazu, die Macht der Monopole einzuschränken, schreibt Jack Rasmus in dieser Beilage Statt dessen werden die Konzernchefs nicht müde, sich immer kreativerer Steuersparmodelle zu bedienen. Cédric Durand hebt in seinem Beitrag hervor, dass die geschichtliche Tendenz der Kapitalakkumulation zur Vergesellschaftung der Produktion führt – die Tür zum Sozialismus wird aufgestoßen. Jörg Kronauer erläutert, wie der Einfluss der Großkonzerne in China systematisch zurückgedrängt wird.

Der Reichtum, der auf den internationalen Finanzmärkten gehandelt wird, hat ein wahnsinniges Ausmaß erreicht. Kapital sucht nach rentablen Investitionsmöglichkeiten und geht dabei immer riskantere Geschäfte ein. Die Europäische Zentralbank warnte im November vor überzogenen Bewertungen an vielen Vermögensmärkten. Krisenanfälligkeiten bestünden vor allem im Immobilien- und Finanzbereich. Risiken entstünden durch den gestiegenen Anteil von Schattenbanken und die erhöhte Staats- und Unternehmensverschuldung – ein Dilemma, das Gesellschaften seit dem Bronzezeitalter umtreibt, wie Michael Hudson im Interview erläutert.

Das Geld der einen fehlt den anderen. Einkommen, Renten, Sozialleistungen und staatliche Investitionen in der »westlichen« Welt werden weiter zurückgefahren. Im Coronajahr 2020 sind die Reallöhne in Deutschland gesunken. Mittlerweile sorgen sich Kapitalisten bereits, dass steigende Preise ihre Vermögen entwerten könnten. Doch EZB-Präsidentin Christine Lagarde beruhigt: »Nach allem, was wir bislang auch aus Befragungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften wissen, ist von dieser Seite vorerst kein starker Druck auf die Inflation zu erwarten«, sagte sie der FAS am letzten Sonntag im November. »Bislang sind die Tarifabschlüsse sehr maßvoll. Für das nächste Jahr dürften zum Teil etwas höhere Lohnforderungen zu erwarten sein. Aber nach allem, was wir sehen, dürften sich die Abschlüsse nicht in einer Größenordnung bewegen, die eine Lohn-Preis-Spirale auslösen könnte.« Nicht steigende Preise, sondern das niedrige deutsche Lohnniveau, das die exorbitanten Exportüberschüsse ermöglicht, sollte die Arbeiterklasse umtreiben, hebt Vladimiro Giacché hervor. Die kommende Bundesregierung wird diesen wirtschaftspolitischen Weg fortsetzen, wie es Heiner Flassbeck in seinem Beitrag schildert. Der im Koalitionsvertrag präsentierte Plan, mit Subventionen für Unternehmen aus der Stagnation zu kommen, sei »geradezu lächerlich«.

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