Sonderlage für die Dienste
Von Kristian Stemmler
Nicht nur die Bundeswehr, auch Polizei und Nachrichtendienste werden von der Bundesregierung im Zeichen der »Zeitenwende« systematisch aufgerüstet und mit neuen »Fähigkeiten« ausgestattet. Am Donnerstag vormittag hatte der Bundestag in erster Lesung das neue Bundespolizeigesetz debattiert, das die Polizeitruppe des Bundes mit weitreichenden Eingriffsrechten ausstattet. Am späten Nachmittag wurde dann publik: Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) soll eine neue Geschäftsgrundlage erhalten, die seine Befugnisse umfassend erweitert, ihm etwa Sabotage im Ausland erlaubt. Das berichtete der Rechercheverbund aus WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ), dem der Gesetzentwurf vorliegt.
Bisher darf der BND offiziell »nur« durch Spionage Informationen gewinnen und auswerten. Künftig soll er auch »operativ« zum »Schutz der Bundesrepublik« tätig werden dürfen. »Verdeckte« Operationen, wie man sie von den Diensten verschiedener anderer Staaten kennt, sollen also umfassend legalisiert werden. Voraussetzung für derartige Aktionen soll die Feststellung einer »nachrichtendienstlichen Sonderlage« sein, die der neue Nationale Sicherheitsrat unter Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages feststellen kann. Im Frühjahr will die Regierung dem Vernehmen nach ein Gesetz für den Auslandsnachrichtendienst vorlegen, das insgesamt 139 Paragraphen umfasst – bislang kam das Regelwerk für den Dienst mit 69 Paragraphen aus. Das Bundeskanzleramt wolle dem BND, so das Portal Tagesschau.de launig, »etwas mehr James-Bond-Manier« gestatten.
Im Klartext bedeutet der Vorstoß, dass BND-Mitarbeitern künftig die Begehung von Straftaten im Ausland erlaubt sein soll. Zur Begründung heißt es laut SZ, es müsse möglich sein, dass zum Beispiel ein deutscher Söldner in russischen Diensten, der für den BND arbeitet, in ein Auto einbricht, um Unterlagen zu entwenden. Erlaubt sein soll auch, in Wohnungen einzubrechen, um etwa Spionagesoftware auf Computern von Zielpersonen zu installieren.
Ferner soll dem Dienst gestattet sein, an Geräten oder Waffensystemen Peilsender anzubringen – oder diese so zu manipulieren, dass sie nicht mehr funktionsfähig sind. Der Gesetzentwurf sieht weiter vor, dass der BND bei angeblichen Cyberangriffen »zurückschlagen« darf, indem er etwa Datenströme umleitet oder IT-Infrastruktur angreift. Auch soll dem Dienst ermöglicht werden, Daten über Fahrzeuge, etwa Standortdaten oder gefahrene Routen, von Herstellern oder Werkstätten anzufordern.
Die »nachrichtendienstliche Sonderlage« wird als Lage mit einer »systematischen Gefährdung« bezeichnet. Im Entwurf heißt es den Berichten zufolge, der BND dürfe »im Rahmen der nationalen Sonderlage« sogenannte »operative Anschlussbefugnisse« wahrnehmen, »wenn geeignete polizeiliche oder militärische Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann oder die Maßnahme im Hoheitsgebiet eines fremden Staates durchgeführt werden soll«. Ungewöhnlich ist die Konstruktion mit der Einbeziehung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Allerdings tagt das Gremium geheim und ist, wie die Praxis gezeigt hat, für die Regierung und die Dienste ausgesprochen pflegeleicht. Die Herstellung einer parlamentarischen Öffentlichkeit ist mit dieser Einbeziehung in keiner Weise verbunden.
Für Gerangel könnte eine geplante Änderung sorgen, die sich im ersten Paragraph des Entwurfs findet. Dort heißt es: »Der Bundesnachrichtendienst ist der zivile Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland. Er nimmt im Auftrag zentrale Aufgaben eines militärischen Nachrichtendienstes wahr.« Damit würde erstmals gesetzlich definiert, dass der BND der deutsche militärische Auslandsnachrichtendienst ist. Im Verteidigungsministerium könnte das auf Ablehnung stoßen, denn perspektivisch würden wohl militärische Aufklärungsmittel, die derzeit zur Bundeswehr gehören, dem BND zugeschlagen werden.
Erst Anfang Dezember hatte der Bundestag ein Gesetz »zur Stärkung der militärischen Sicherheit in der Bundeswehr« beschlossen. Es enthält auch ein neues Gesetz für den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Auch dieser Dienst bekam deutlich mehr Befugnisse. So soll er etwa künftig auch außerhalb von Militärgelände im Ausland operieren dürfen, eine Befugnis, die bislang exklusiv beim BND lag. Fortan sollen beide Dienste, wie es hieß, sich bei ihren Aufgabenaufteilungen abstimmen.
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