Gespräche mit dem Biest
Von F.-B. Habel
Kurz vor Weihnachten sind Maria und Josef immer besonders populär. Vielleicht wird auch mal wieder der Bibelfilm »Jesus« von 1999 gezeigt? An der internationalen Großproduktion waren Akteure aus zehn Ländern von drei Kontinenten beteiligt. Die Maria gab Jacqueline Bisset, als Josef musste Armin Mueller-Stahl schon im ersten Teil eindrucksvoll sterben. Sehr vital ist er freilich im realen Leben, an diesem Mittwoch begeht er seinen 95. Geburtstag in Lübeck, wo er lebt.
Geboren wurde Mueller-Stahl im ostpreußischen Tilsit (heute Sowjetsk), aber schon 1938 wurde Prenzlau in der Uckermark für Jahrzehnte sein Zuhause. Sein Vater Alfred war Bankangestellter mit einer starken künstlerischen Ader, musste jedoch in den Krieg ziehen, dessen Ende er nicht erleben sollte. Vermutlich wurde er als Deserteur von den eigenen Leuten umgebracht. Auch der junge Armin, der sich in pubertärer Verblendung zum Volkssturm gemeldet hatte, geriet bei Kriegsende in Lebensgefahr. Der 14jährige wollte eine gefundene Wehrmachtspistole vergraben und wurde dabei von einem Soldaten erwischt. Ein mutiger »Fremdarbeiter« rettete ihn.
Diese Erlebnisse prägten Mueller-Stahls Rollenwahl als Schauspieler. Immer wieder entschied er sich für Themen, die mit Krieg, Vertreibung und Entscheidungssituationen zusammenhängen. Genannt seien vor allem die mehrfach ausgezeichneten Filme, die er mit Regisseur Frank Beyer bei der Defa drehte: »Fünf Patronenhülsen« (1960), »Nackt unter Wölfen« (1963) und »Jakob der Lügner« (1974). Auch nachdem er 1980 mit seiner Familie in den Westen gegangen war, blieben Filme zu Themen der deutschen Geschichte seine besten: Mit Rainer Werner Faßbinder drehte er »Lola« (1981) und »Die Sehnsucht der Veronika Voss« (1982), er spielte in Andrzej Wajdas »Eine Liebe in Deutschland« (1983), Agnieszka Hollands »Bittere Ernte« (1985) und Bernhard Wickis »Das Spinnennetz« (1989).
Auch als er in den USA Karriere machte, trat Mueller-Stahl immer wieder in Filmen auf, die eine Verbindung vom Ungeist der Nazizeit zur Gegenwart zogen, wie in »Music Box – Die ganze Wahrheit« (1989) oder in dem Remake von »Jakob der Lügner« (1999).
Mueller-Stahls persönlichste Auseinandersetzung mit dem Kriegstrauma war der Film »Gespräch mit dem Biest« (1996). Mit 65 Jahren gab er sein Debüt als Regisseur und Szenarist mit einem Stoff, in dem Hitler, den er selbst spielte, noch immer unter uns lebt. Ein starkes Bild, das derzeit eher noch an Aktualität gewinnt.
Armin Mueller-Stahl brillierte in Komödien und in Abenteuerfilmen, darunter dem Indianerfilm »Tödlicher Irrtum« (1970). Seine wohl populärste Actionrolle war die des MfS-Kundschafters Achim Detjen in neun Folgen der Reihe »Das unsichtbare Visier« (1973–1976). Doch selbst hier gab es einen Nazihintergrund: Der gefallene echte Detjen, dessen Identität der Agent übernimmt, war ein Kriegsverbrecher.
Seine Vielseitigkeit ist legendär: Als Sechsjähriger bekam Armin von der Mutter eine Geige geschenkt – und er wurde später Geigenlehrer. Die Großmutter machte ihm Lust aufs Zeichnen – und nach schüchternen Anfängen ist heute die Malerei sein wichtigstes Ausdrucksmittel. Er liebte den Umgang mit Worten – und schrieb später Liedtexte und Bücher voller Lebenserfahrung.
Er war Theaterstar an der Volksbühne, sprach, sang, überzeugte als Clown. Als deutscher Taxifahrer in New York in Jim Jarmuschs Episodenfilm »Night on Earth« (1991) bezauberte er das Publikum in der ganzen Welt, wurde für die Charakterrolle als David Helfgotts Vater in »Shine« 1996 für einen Oscar nominiert. Erst vor ein paar Tagen hat Armin Mueller-Stahl in Emden eine Ausstellung seiner Bilder eröffnet.
Unser Autor veröffentlichte 2020 im Verlag Neues Leben das Buch »Armin Mueller-Stahl. Im Herzen Gaukler«
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