Gegründet 1947 Mittwoch, 17. Dezember 2025, Nr. 293
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 17.12.2025, Seite 9 / Schwerpunkt
ACLED-Konfliktmonitor 2025

Zivilisten zum Abschuss freigegeben

ACLED-Konfliktmonitor 2025: Weltweit wächst die Gefahr für Nichtkombattanten – sowohl durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen als auch staatliche Gewalt
Von Jakob Reimann
9.JPG
Angehörige trauern um ihre Toten nach einem Angriff der mit dem IS-verbundenen ADF-Miliz im Osten der DR Kongo (Oicha, 10.9.2025)

Ein Sechstel der Weltbevölkerung hat in den vergangenen zwölf Monaten in Gebieten leben müssen, in denen tödliche Konflikte ausgetragen werden. Der höchste Wert seit fünf Jahren. Über 240.000 Menschen wurden dabei getötet, so die konservative Schätzung des US-Kriegsmonitors Armed Conflict Location and Event Data (ACLED) in seinem am 11. Dezember veröffentlichten Jahresbericht. Über alle Parameter hinweg waren Palästina, Mexiko und die Ukraine die Orte auf der Welt, an denen die meiste Gewalt herrschte. Mit fast 78.000 Todesopfern – ukrainische und russische Soldaten sowie Zivilisten – war die Ukraine im Untersuchungszeitraum Dezember 2024 bis Ende November 2025 demnach das Land mit den meisten Toten weltweit, gefolgt von Sudan mit 17.000 Toten und Palästina mit 16.100.

Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen waren laut der Daten für etwa zwei Drittel aller Gewalttaten gegen Zivilisten und 59 Prozent der zivilen Todesopfer verantwortlich. Die im Sudan kämpfende paramilitärische Miliz RSF tötete dabei mit elf Prozent (4.238) mehr Nichtkombattanten als jede andere nichtstaatliche bewaffnete Gruppe. Allerdings hat sich auch die staatlich gelenkte Gewalt gegen Zivilisten seit 2020 verdreifacht.

Mit über 1.200 unterschiedlichen bewaffneten Gruppen, die Berichten zufolge jeweils an mindestens einem gewaltsamen Ereignis beteiligt waren, ist Myanmar der am stärksten fragmentierte Konflikt der Welt. Nach dem Militärputsch im Februar 2021 stürzte das Land in einen komplexen Bürgerkrieg mit Dutzenden Frontlinien sowie Zigtausenden Toten und Millionen Vertriebenen. »Trotz mehrerer einseitiger Waffenstillstandserklärungen nach dem verheerenden Erdbeben in Sagaing im März eskalierte das Militär seine Luftangriffe – und erreichte im April 2025 den höchsten jemals verzeichneten Monatswert«, resümiert ACLED.

Auf der anderen Seite des Pazifiks liegen in der Karibik und Lateinamerika vier der zehn Länder mit der weltweit größten politischen Gewalt. Allein in Haiti wurden mehr als 4.500 Personen getötet. In dem vom rechten Bananenunternehmer Daniel Noboa regierten Ecuador wurden 3.500 Menschen im Zusammenhang mit Bandengewalt getötet. Aufgrund der Gewalt, bei der es sich überwiegend um Revier- und Vergeltungskämpfe zwischen verschiedenen Drogenkartellen handelt, wurden seit 2021 rund 132.000 Menschen innerhalb des Landes vertrieben, und über 400.000 Personen – entsprechend mehr als zwei Prozent der Bevölkerung – sind über die Landesgrenzen hinaus geflohen. Weltweit liegt nur Jamaika noch vor Ecuador, und in den 25 Ländern mit den höchsten Mordraten befinden sich 21 in der Region. Einzig Südafrika auf Platz drei, Nigeria (19), Irak (20) und Eswatini (25) befinden sich in anderen Weltregionen. In absoluten Zahlen wurden mit 32.252 in Mexiko die meisten Menschen außerhalb kriegerischer Konflikte getötet, gefolgt von den USA (19.796) und Ecuador (8.221), das das dritte Jahr in Folge die Liste mit den meisten Morden in Lateinamerika anführt.

ACLED stellt fest, dass die Gewalt in Syrien 2025 im Vergleich zum Vorjahr zwar insgesamt deutlich zurückging, doch bleibt das Land politisch extrem fragil. Einsatzkräfte der Übergangsregierung unter dem dschihadistischen Präsidenten Ahmed Al-Scharaa und verbündete Milizen haben in mehreren Regionen Massaker an Minderheiten begangen, insbesondere gegen Drusen in Suweida und Alawiten in den Küstenregionen. Die Angriffe der jemenitischen Ansarollah auf Schiffe im Roten Meer gingen 2025 dramatisch zurück. So feuerten die De-facto-Herrscher des Nordjemen in diesem Jahr auf sieben Handelsschiffe, im Vorjahr waren es 150. Die Angriffe auf israelischen Boden stiegen 2025 leicht an und betrugen in den ersten elf Monaten 125. In Somalia wurden bei politischen Gewalttaten über 9.090 Menschen getötet. Weitere bewaffnete Konflikte am Horn von Afrika ereignen sich in Äthiopien, Kenia und im Südsudan. Die USA töteten bei Luftangriffen 528 Personen im Jemen und 320 in Somalia. In Pakistan wurden über 4.000 Personen getötet, insbesondere im Grenzgebiet zu Afghanistan und bei Luftangriffen gegen Separatisten in Belutschistan. Im Mai eskalierten die Spannungen zwischen Pakistan und Indien zu den schwersten militärischen Konfrontationen zwischen den beiden Atommächten seit Jahrzehnten.

ACLED dokumentiert auch die Entwicklungen nichtstaatlicher Akteure. So ist demnach die kumulierte Zahl der bewaffneten Gruppen, die mit Kampfdrohnen ihre zumeist staatlichen Gegner angreifen, in diesem Jahr auf 469 weltweit angesprungen. Fünf Jahre zuvor waren es gerade einmal zehn Gruppen mit dieser Bewaffnung. Sie hätten diese in mindestens 17 Ländern eingesetzt, darunter Myanmar, Mexiko, Kolumbien und Syrien, was auf eine zunehmende »Demokratisierung« der Drohnenkriegführung hindeute, wie es im Bericht heißt.

Und der Dschihadismus ist weiter auf dem Vormarsch, allerdings auf den afrikanischen Kontinent beschränkt: Knapp 80 Prozent (2024 noch 49 Prozent) der weltweiten Aktivitäten des »Islamischen Staats« (IS) wurden dort verzeichnet, ACLED spricht von einer »Ausrichtung auf Afrika«, vor allem infolge bedeutender Rückschläge im Nahen und Mittleren Osten. Insgesamt hat es demgegenüber einen Rückgang der weltweiten IS-Aktivitäten um 13 Prozent gegeben. Auf dem Kontinent selbst hat sich die Sahelregion mit mehr als 10.000 Toten zum Epizentrum des globalen Dschihadismus entwickelt.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.