Volles Risiko
Von Gerrit Hoekman
Die Entscheidung der EU, das auf belgischen Konten lagernde russische Vermögen auf unbestimmte Zeit festzusetzen, bringt Belgien in große Schwierigkeiten. Das Geld soll eventuell als Sicherheit für ein Darlehen an die Ukraine dienen oder dem Land sogar geschenkt werden. Das belgische Parlament, die Regierung von Bart De Wever, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, und der in Belgien ansässige Finanzdienstleister Euroclear, der den allergrößten Teil des russischen Vermögens verwahrt, sind entschieden dagegen. Es geht um rund 185 Milliarden Euro.
»Ein solches Vorgehen der EU untergräbt die Glaubwürdigkeit des Bankensystems«, sagte der Ökonom Herman Matthijs von der Universität in Gent der flämischen Wochenzeitung Knack. »Die Wahrscheinlichkeit einer Rückzahlung durch die Ukraine ist praktisch gleich null. Schließlich profitiert die Ukraine seit Jahren von westlichen Finanzhilfen.« Nach Ansicht von Matthijs warten China und die USA nur darauf, dass Europa sein eigenes Bankensystem schwächt.
Vermutlich hatte der belgische Premierminister De Wever recht, als er bereits nach dem letzten EU-Gipfel im Oktober schon fast resignierend sagte: »Ich bin nur das arme, kleine Belgien.« Gegen die große, mächtige BRD steht er wohl tatsächlich auf verlorenem Posten. Bundeskanzler Friedrich Merz und seine Landsleute in der EU – in Person der Kommissionsvorsitzenden von der Leyen sowie des Chefs der Christdemokraten im EU-Parlament, Manfred Weber – wollen unbedingt an das russische Geld. Dafür walzen sie nicht nur über die belgischen Befürchtungen hinweg, am Ende für den Diebstahl gerade stehen zu müssen, sondern wohl auch über internationales Recht. Belgien verlangt von den Mitgliedstaaten Garantien, damit es am Ende nicht alleine die Zeche zahlen muss.
Wie von Belgien erwartet, kam eine prompte Antwort aus Moskau: Die Russische Zentralbank verklagt Euroclear vor einem Mosakuer Schiedsgericht auf 12,8 Billionen Rubel Schadenersatz, umgerechnet etwa 195 Milliarden Euro. Dies wurde am Montag bekannt. Es droht ein jahrelanger Rechtsstreit. Sollte Euroclear die Summe irgendwann zahlen müssen, wäre das Unternehmen nach Angaben der Vorstandsvorsitzenden Valérie Urbain höchstwahrscheinlich bankrott.
Belgien steht wegen seines latenten Haushaltsproblems und einer Staatsverschuldung, die deutlich über das von EU tolerierte Maß hinausgeht, schlecht da. »Hinzu kommt die äußerst problematische Situation in Bezug auf Verwaltung, Haushalt, öffentliche Sauberkeit und Sicherheit in weiten Teilen der Region Brüssel-Hauptstadt«, erklärte Matthijs. »In dieser Region haben zahlreiche EU-Institutionen ihren Sitz. In diesen europäischen Kreisen werden die Rufe nach einem Umzug aus Brüssel immer lauter.«
Wie wenig beliebt Belgien im Moment innerhalb der EU ist, machte beispielsweise die Wahl eines Nachfolgers für den irischen Finanzminister Paschal Donohoe als Vorsitzender der Eurogruppe deutlich. Der belgische Finanzminister Vincent Van Peteghem warf seinen Hut in den Ring, aber die 20 Mitgliedstaaten wählten mehrheitlich seinen griechischen Kollegen Kyriakos Pierrakakis. Vermutlich als vorauseilendes Dankeschön für die am Montag erfolgte vorzeitige Rückzahlung der 5,3 Milliarden Euro, die Griechenland der EU schuldete.
Am Freitag stimmte die Regierung unter De Wever zähneknirschend der Festsetzung des russischen Vermögens zu, warnt aber weiterhin davor, es für einen ukrainischen Kredit zu verwenden. Ganz alleine ist Belgien in der Frage nicht – auch Italien, Bulgarien, Malta, Ungarn und die Slowakei hegen Zweifel. »Wenn eine Entscheidung getroffen wird, die meiner Ansicht nach gegen geltendes Recht verstößt und daher sinnlos ist und erhebliche Risiken für dieses Land birgt, kann man nichts ausschließen«, sagte De Wever am Mittwoch vor einer Woche laut De Standaard und deutete damit gar juristische Schritte gegen die EU an. Es gebe »definitiv bessere Lösungen, als das Geld von der russischen Zentralbank zu stehlen.« Auch Euroclear dürfte im Fall der Fälle wohl vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
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