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Aus: Ausgabe vom 17.12.2025, Seite 6 / Ausland
Kosovo/USA

Auffanglager Kosovo

Vereinigte Staaten deportieren Migranten aus Drittstaaten in das Balkanland
Von Roland Zschächner
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Protest von festgesetzten Geflüchteten aus Afghanistan in Camp Bondsteel (2.6.2022)

Hier liebt man die USA. Kaum irgendwo in Europa wird das so deutlich gezeigt wie in Kosovo. In Priština ist allerorts der Sternenbanner zu sehen, ein Denkmal wurde zu Ehren des vormaligen US-Präsidenten Bill Clinton errichtet. Nun schicken die Vereinigten Staaten, die sich in ihrer Hymne als »Land der Freien« besingen lassen, Migranten aus Drittländern in das Kosovo. Die ersten Deportierten wurden bereits in das Balkanland gebracht, wie Ministerpräsident Albin Kurti am vergangenen Donnerstag in einem TV-Interview mitteilte.

»Wir haben diejenigen aufgenommen, die die USA nicht in ihrem Territorium haben wollen«, so Kurti gegenüber dem Sender Kanal 10. »Wenn ich mich nicht irre, sind ein oder zwei von ihnen bereits hier, und wir haben zugestimmt, 50 von ihnen aufzunehmen.« Aus welchen Ländern die Menschen kommen und wie es mit ihnen weitergeht, blieb offen. Aus dem Innenministerium hieß es lediglich, sie würden »gemäß den geltenden Rechtsvorschriften vorübergehenden Schutz erhalten«. Was dies bedeutet, lässt sich in Berichten über die Lage von in das Kosovo abgeschobenen Roma nachlesen. Sie werden systematisch diskriminiert und so an den Rand der Gesellschaft und in Armut gedrängt.

Der staatlich organisierte Menschenhandel war bereits im Juni dieses Jahres zwischen Washington und Priština vereinbart worden. Man werde dabei »Personen aus einem vorgeschlagenen Pool auswählen, sofern sie bestimmte Kriterien in bezug auf die Rechtsstaatlichkeit und die öffentliche Ordnung erfüllen«, so Kurti nach dem Abschluss der Vereinbarung, die die »gemeinsamen Werte und die Zusammenarbeit« mit den USA zeige.

Rund sechs Monate später frohlockte seine Regierung am 12. Dezember: Die Übereinkunft zeige »die anhaltende Dankbarkeit gegenüber den Vereinigten Staaten für ihre Unterstützung seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 2008«. Damals hatte sich die serbische Provinz einseitig von Belgrad losgesagt. Dem vorausgegangen war 1999 ein von den USA angeführter NATO-Krieg gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien, an dem sich auch die Bundeswehr beteiligt hatte. Serbien erkennt indes die Sezession bis heute nicht an.

Das Bombardement brachte albanische Nationalisten an die Regierung; Politik ist für sie die Weiterführung krimineller Geschäfte. Das führt zur Abhängigkeit von Geld und Sicherheitsgarantien aus dem Westen – vor allem von den USA. Doch auch die Europäische Union und die Bundesrepublik verlangen Einfluss in der Region. Mit Albin Kurti konnten sie 2020 einen Politiker als Premier installieren, der eher auf Brüssel als auf Washington hört. Die damalige Regierung von US-Präsident Donald Trump ließ das nicht durchgehen, schließlich sind in Kosovo mehrere hundert US-Soldaten in Camp Bondsteel, einer der größten Militärbasen der Region, stationiert. Kurti musste nach wenigen Wochen gehen. Doch kam der sich als »progressiver Politiker« gebende Nationalist 2021 wieder zurück ins Amt.

Mit der zweiten Trump-Regierung versucht Kurti nun, sich gutzustellen. Auch, weil er aus Washington immer wieder wegen der anhaltenden Diskriminierung der serbischen Minderheit kritisiert wird. Zum Beispiel ist die größte serbische Wahlliste nicht zur vorgezogenen Wahl am 28. Dezember zugelassen worden. Die Abstimmung war notwendig geworden, nachdem es Kurti nach seinem Sieg im Februar nicht gelungen war, eine eigene Mehrheit im Parlament zu organisieren. Im aktuellen Wahlkampf will Kurti keine Einmischung aus Nordamerika. Die Unterstützung der rassistischen Politik Trumps ist ein versöhnliches Zeichen aus Priština.

Die in vielen westlichen Ländern vorangetriebene Abschottungs- und Abschiebepolitik eröffnet eine neue Einnahmequelle. Bereits vor Jahren hat Kosovo mit Dänemark ein Abkommen über mehr als 200 Millionen Euro geschlossen, ab 2027 sollen 300 Gefangene aus dem skandinavischen Land in einem kosovarischen Knast eingesperrt werden. Im Gegenzug will Kopenhagen den Strafvollzug, die »grüne« Transformation und Menschenrechte in dem Balkanland voranbringen.

Ähnlich wie das benachbarte Albanien – indes nicht für Italien, sondern für Großbritannien – bietet sich Priština an, nicht gewollte Geflüchtete aufzunehmen. Das ist ganz im Sinne der EU, die am 8. Dezember entschieden hat, dass es Mitgliedstaaten nun möglich ist, Geflüchtete in sogenannte sichere Drittstaaten abzuschieben, auch wenn diese nicht die Heimatländer der Betroffenen sind. Kosovo wird dabei ausdrücklich genannt.

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