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Aus: Ausgabe vom 17.12.2025, Seite 3 / Inland
Berliner Rotstiftpolitik

Müssen Sie für jedes Projekt Fördergelder beantragen?

Berliner Jugendzentrum muss im Jahr viel Kraft auf das Einwerben von Drittmitteln verwenden, sagt Sabine Bell
Interview: Daniel Hager
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Soziale Einrichtungen: Beim Doppelhaushalt 2026/2027 des Senats steht viel auf der Kippe (Berlin, 10.10.2025)

In Berlin ist die Kinder- und Jugendarbeit akut durch Einsparungen bedroht. Sie sind Teil des »Unkürzbar«-Bündnisses. An welchen Aktionen haben Sie sich bisher beteiligt?

Am 22. Juli gab es einen berlinweiten Schließtag der offenen Kinder- und Jugendarbeit. An dem Tag haben wir mit den Kids vor den Räumen kreativ gearbeitet. Das war im Sommer auch nicht so schwierig. Das Haus haben wir in Flatterband eingewickelt, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Kürzungen möglicherweise eine Thematik für uns sein können, auch wenn unsere Einrichtung nicht direkt davon betroffen ist.

Wie haben Sie den Jugendlichen das Thema vermittelt?

Wir wollen Ihnen keine Angst machen, aber wir gehen immer wieder darüber ins Gespräch und machen darauf aufmerksam, dass das, was wir hier leisten, nicht selbstverständlich ist und dass die Räume, die zur Verfügung stehen, nicht selbstverständlich sind. Der zweite Aktionstag war eine kleine Demonstration vorm Roten Rathaus am 26. September. Da hatten wir auch einen Jugendlichen, der auch bei uns Kulturarbeit macht, auf die Bühne geholt, um unsere Arbeit sichtbar zu machen.

Der Jugendklub heißt »Tube«. Woher kommt der Name?

Vom englischen Wort für Tunnel. Wir sitzen hier in einem ehemaligen Fußgängertunnel, der integriert wurde in einen Bungalow. Uns besuchen die Jugendlichen aus dem Sozialraum Fennpfuhl. Aber wir haben punktuell immer wieder auch Besucherinnen und Besucher aus Friedrichshain, Kreuzberg, aus dem angrenzenden Marzahn, Hellersdorf, Hohenschönhausen, und auch ich hatte schon Jugendliche aus Kreuzberg hier, die Musik machen wollten.

Können Sie die soziale Zusammensetzung beschreiben?

Viele Kids kommen aus Familien, die im Bürgergeldbezug sind, haben alleinerziehende Eltern oder möglicherweise mit Sprachbarrieren zu tun.

Mit welchen Problemen werden Sie konfrontiert?

Mit Gewalterfahrungen, mit Schulabstinenz, Schuldistanz, mit Themen wie auch Sexualität, Konsumverhalten. Und ich spreche jetzt nicht von nur von Energydrinks, ich spreche von Drogenkonsum und Alkoholkonsum. Wir machen präventive Arbeit hier vor Ort. Dann alles, was Kids in der Adoleszenz so haben: die erste Liebe, der erste Liebeskummer. Meine Zielgruppe befindet sich in der Altersspanne von 10 bis 27. Aber mit Kids, die zu Hause rausgeflogen sind, muss ich manchmal schauen, wo wir abends um 19 Uhr noch einen Ort zum Übernachten finden.

Müssen Sie für jedes Projekt Fördergelder beantragen?

Ich habe das Glück, dass ich ein multifunktionelles Team habe. Für die Angebotsinhalte, die wir gegenüber dem Jugendamt darlegen sollen, haben wir genug Skills und vorhandenes Personal, um alles abdecken zu können, was hier geht. Deswegen brauche ich zum Beispiel nicht zusätzliche Honorarmittel. Wenn es aber um die Ausgestaltung der Einrichtungen geht, wie zum Beispiel die eines Mädchenmedienraums, bekomme ich keine Gelder dafür im Rahmen meines Leistungsvertrages. Das sind Projekte, für die ich Drittmittel akquirieren muss. Dazu kommt der Bedarf nach einer neuen Küche.

Wie viel Zeit raubt das der Arbeit als Sozialpädagogin?

Das war im Jahr 2024 ein erheblicher Arbeitsaufwand für mich, weil das bedeutete, drei Projekte gleichzeitig zu managen. Und es gibt ganz viele Fördertöpfe, die auch interessant sind. Wir tun das hier neben unserer alltäglichen pädagogischen Arbeit. Wahrscheinlich steht und fällt das auch mit dem Engagement des Personals. Ich mache das total gerne, würde das aber nicht von anderen erwarten.

Wie könnten die politisch Verantwortlichen Ihren Arbeitsalltag erleichtern?

Ich wünsche mir, dass Sie den Blick auf die Zielgruppe richten: Mit wem haben wir es alltäglich zu tun? Wie komplex ist die Arbeit? Wie haben sich die Bedarfe der Jugendlichen verändert? Da wünsche ich mir einfach eine Wertschätzung in Form von Unterstützung. Möglicherweise bedeutet das auch mehr Personal an der einen oder anderen Stelle. Man sollte vielleicht lieber mal darüber nachdenken, wie man Angebote erhalten oder gar erweitern und wie man sie attraktiver gestalten kann.

Sabine Bell ist Sozialpädagogin und Leiterin des Jugendklubs »Tube« in Berlin-Lichtenberg

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