Deregulierung im Paketgesetz
Von Ralf Wurzbacher
Umwelt- und Verbraucherverbände warnen vor einer umfassenden Deregulierungsattacke auf die Lebens- und Futtermittelsicherheit in der Europäischen Union (EU). Anlass ist ein sogenanntes Omnibuspaket, das die EU-Kommission weitgehend unbemerkt auf den Weg gebracht hat und am heutigen Dienstag in Brüssel vorstellen will. Geplant ist unter anderem, einen Großteil der in der Landwirtschaft verwendeten Pestizide künftig unbegrenzt zuzulassen und die bisher obligatorischen regelmäßigen Prüfungen zu streichen. Damit könnte selbst im Falle eines späteren Nachweises von Krebsrisiken der betreffende Wirkstoff weiterhin im Umlauf bleiben. Im Rahmen eines Pressegesprächs haben am Montag Wissenschaftler und Rechtsexperten nebst Vertretern der Deutschen Umwelthilfe (DUH), des Umweltinstituts München und Foodwatch den Stopp des Vorhabens verlangt.
Der »Food and Feed Omnibus« ist nur einer mehrerer Vorstöße der EU-Funktionäre, um Schutzstandards in puncto Natur und Gesundheit unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus stark zurückzudrehen. Beim Omnibusverfahren werden quasi in einem Abwasch und im Schnelldurchlauf mehrere Gesetze oder Verordnungen gleichzeitig überarbeitet oder erlassen. Eine breitere öffentliche Diskussion wird damit verhindert. Passenderweise waren die Pläne erstmals vor drei Wochen durch ein Leak, sprich eine nicht autorisierte Weitergabe durch einen Insider, bekannt geworden. Das Portal Euroactiv hatte seinerzeit exklusiv über die Vorgänge berichtet. Die Kommission wolle Bayer, BASF und Co. ein toxisches Weihnachtsgeschenk machen, heißt es im Aufruf zu einer Petition im Internet, der sich binnen kurzer Zeit mehr als 85.000 Menschen angeschlossen haben.
»Wenn Sicherheitsprüfungen abgeschafft, wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und verbotene Pestizide noch länger ausgebracht werden, sind amerikanische Verhältnisse der Deregulierung endgültig in Europa angekommen«, äußerte sich am Montag Moritz Tapp vom Münchner Umweltinstitut. »Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Pläne entschieden zurückzuweisen und sich klar zum europäischen Vorsorgeprinzip zu bekennen.« Bislang werden Wirkstoffe gemäß EU-Pestizidverordnung zunächst für zehn und im nächsten Schritt für maximal 15 Jahre genehmigt. In der Praxis kommen die Behörden bei bedenklichen Substanzen allerdings mit dem Prüfen nicht hinterher. In solchen Fällen hat sich die EU-Kommission wiederholt auf eine Ausnahmeregelung berufen und die bestehende Zulassung auf Verdacht mithin mehrmals hintereinander für ein Jahr verlängert. So geschah es zum Beispiel Ende 2022 mit dem Herbizid Glyphosat, für das es dann ein Jahr später erneut und trotz erdrückender Beweislast, krebserregend zu wirken, grünes Licht gab.
Der Fall hatte jedoch ein Nachspiel. Im November gab der Europäische Gerichtshof (EuG) drei Klagen statt und stufte das Vorgehen, die Fristen ohne abschließende Prüfung zu strecken, als rechtswidrig ein. Eine Beschwerdeführerin war die Arelia-Stiftung, die sich speziell für den Schutz von Bienen starkmacht. Zwar hat die Kommission noch bis Mitte Januar Zeit, gegen die Entscheidung Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzulegen. Weil der Ausgang ungewiss ist, geht sie nun gleich auf »Nummer sicher«, indem sie der Chemie- und Agrarlobby einen Freifahrtschein zum Giftversprühen ausstellt. Außerdem sollen die Übergangsfristen deutlich verlängert werden, wie lange ein Stoff selbst nach einem Verbot weiterverwendet werden darf. Damit würden mühsam erzielte Verbesserungen zum Schutz von Umwelt und menschlicher Gesundheit »mit einem einzigen Federstrich zunichte gemacht«, so die DUH-Leiterin für ökologische Verbraucherberatung, Agnes Sauter. Annemarie Botzki von Foodwatch ergänzte: »Pestizidcocktails auf dem Teller sind ein Risiko für unsere Gesundheit und ein Desaster für die Umwelt.«
Kritik am Omnibusverfahren übte Alberto Alemanno, Professor für Europarecht an der Hochschule HEC Paris. Die Methode sei wie ein »Bypass«, der es der Kommission ermögliche, auf Kosten von Transparenz, Evidenz und Beteiligung schnell voranzukommen. So sei kein einziges der Sammelgesetze »einer ordnungsgemäßen Folgenabschätzung oder einer umfassenden öffentlichen Konsultation unterzogen« worden. Unterm Omnibus soll noch eine Reihe weiterer Bestimmungen landen, die der Industrie nicht schmecken, aber Verbraucher vor Unheil bewahren. Dazu zählen etwa Vorgaben für BSE-Kontrollen (Rinderwahn) oder Futtermittelzusätzen.
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