Kurswechsel bei der Bahn
Von Gudrun Giese
Bahn-Kunden müssen sich gedulden, bis es besser wird mit der Pünktlichkeit. Immerhin steht nun mit Evelyn Palla, der neuen Chefin der Deutschen Bahn AG (DB), eine Frau an der Spitze, die keine völlig unrealistischen Versprechungen macht. Bis zu 40 Prozent der Fernverkehrszüge könnten auch 2026 unpünktlich sein, so die seit wenigen Monaten amtierende Unternehmenschefin – umgekehrt sollen mindestens 60 Prozent (halbwegs) rechtzeitig ihr Ziel erreichen, denn bis zu sechs Minuten hinter der fahrplanmäßigen Zeit zu liegen gilt bei der Bahn als pünktlich.
In diesem Jahr lief es beim Fernverkehr mit ICE und ICs noch um einiges schlechter, gerade mal etwa 55 Prozent betrug die Pünktlichkeitsquote. Wie das Ziel erreicht werden soll, bis 2029 bei mindestens 70 Prozent Pünktlichkeit anzukommen, erläuterte Palla am Donnerstag in Berlin. Dabei plant sie einen für die Bahn AG ungewöhnlichen Weg: Rund die Hälfte von zur Zeit 43 hochdotierten Führungsstellen auf der Ebene unterhalb des Konzernvorstands soll gestrichen und die Verantwortung für operative Entscheidungen zu den Regionalmanagern verlagert werden. Insgesamt sollen etwa 30 Prozent der rund 3.500 Stellen in der Konzernleitung entfallen.
Auch im Vorstand werden künftig weniger Menschen für das (Miss-)Management zuständig sein als in der Vergangenheit: An der Spitze des Gesamtkonzerns fallen zwei Posten weg, zudem sollen die Vorstände der Tochtergesellschaften DB Regio und DB Fernverkehr verkleinert werden. Die geplante Neuaufstellung hat der Aufsichtsrat bereits abgenickt.
20 Milliarden Euro steckt die Bahn zudem im kommenden Jahr in die Reparatur des maroden Schienennetzes. Dazu gehören vier Generalsanierungen mit mehrmonatiger Sperrung: die Strecken Hagen–Wuppertal–Köln, Nürnberg–Regensburg, Obertraubling–Passau und Troisdorf–Wiesbaden. Bis zum Frühjahr noch soll die Komplettsanierung der wichtigen Verbindung Berlin–Hamburg dauern. Gleichwohl rechnet die DB-Chefin nicht mit schnell spürbaren Effekten: »Die Sanierung der Schiene wird nicht über Nacht erfolgen können.« Derzeit gibt es rund 26.000 Baustellen im kompletten Bahnnetz; nächstes Jahr soll die Zahl auf mehr als 28.000 steigen. Es werde noch einige Zeit dauern, bis der Verkehr auf den Schienen deutlich flüssiger laufe, so Palla. Verbessern will sie die Voraussetzungen für das Wohlbefinden der Fahrgäste, indem Züge und Bahnhöfe sauberer und sicherer werden, Bordbistros besser funktionieren und die Informationen für die Kundschaft zuverlässiger ausfallen sollen.
Materiell zwickt es bei der DB ebenfalls: Allein im ersten Halbjahr 2025 verbuchte der staatliche Konzern ein Minus von 760 Millionen Euro. Die neue Chefin hofft für die Jahresbilanz und das kommende Jahr auf schwarze Zahlen beim operativen Geschäft. Insgesamt dürfte die Bahn in beiden Jahren aber weiter in den Miesen bleiben. Lob für Pallas Kurs gab es von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG): Entschlossenes Handeln und der verstärkte Fokus auf die Kunden seien positiv, erklärte der Vorsitzende Martin Burkert. Allerdings würde die Bahn-Chefin sofort die EVG auf den Plan rufen, sollte der Umbau letztlich allein Kostensenkungen und Arbeitsplatzabbau bezwecken.
Unterdessen zeichnet sich am Horizont neues Ungemach durch den Bahn-Konkurrenten Flixtrain ab, der ab 2028 sukzessive bis zu 65 neue Fernzüge auf die Schienen bringen will. Mit dem Erwerb von Fahrzeugen des spanischen Herstellers Talgo setze man erstmals auf frisches Material, sagte Flixtrain-Chef André Schwämmlein am Freitag. Bisher nutzte das Unternehmen vor allem ausgemusterte Züge der DB, die nun modernisiert und ausgebaut werden sollen, so dass in den nächsten zwei Jahren die Sitzplatzkapazitäten deutlich gesteigert werden. Damit werde das Angebot insgesamt deutlich ausgeweitet, so Schwämmlein.
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