Boliviens Rechte eröffnet die Jagd
Von Volker Hermsdorf
Nur einen Monat nach dem Amtsantritt des US-freundlichen Präsidenten Rodrigo Paz Pereira setzt Boliviens Rechte zur Offensive an. Am Mittwoch nachmittag (Ortszeit) wurde sein Vorgänger Luis Arce vom linken Movimiento al Socialismo (MAS) überraschend im Stadtteil Sopocachi von La Paz festgenommen. Nach Angaben seiner früheren Präsidialministerin María Nela Prada zerrten maskierte Männer den Expräsidenten ohne Vorzeigen eines Haftbefehls aus seinem Fahrzeug, verfrachteten ihn in einen Van mit getönten Scheiben und fuhren davon. Stundenlang war Arces Aufenthaltsort unklar. Später bestätigten Behörden, er sei in eine Zelle der Spezialeinheit zur Bekämpfung der Kriminalität gebracht worden.
Generalstaatsanwalt Roger Mariaca und Innenminister Marco Antonio Oviedo behaupten, Arce habe während seiner Zeit als Wirtschaftsminister unter Evo Morales (2006–2019) die Veruntreuung staatlicher Gelder geduldet. Konkret geht es um den Fondioc, einen staatlichen Entwicklungsfonds für indigene und bäuerliche Gemeinden, dessen Verwaltungsrat Arce angehörte. Die Ermittler werfen ihm vor, in den Jahren 2009 und 2010 angebliche »Phantomprojekte« bewilligt und Transfers freigegeben zu haben, die später als unrechtmäßig eingestuft wurden. Damit habe er sich laut Mariaca der Pflichtverletzung und der »unwirtschaftlichen Haushaltsführung« schuldig gemacht – Vorwürfe, die bereits vor Jahren politisch instrumentalisiert worden waren und nun offenbar erneut hervorgeholt werden.
Vizepräsident Edmand Lara, ein ehemaliger Polizeioffizier, feierte die Festnahme von Arce. In einem direkt im Anschluss auf Tik Tok verbreiteten Video erklärte er: »Wir hatten es angekündigt: Luis Arce wird der erste sein, der ins Gefängnis kommt – und wir halten unser Versprechen.« Alle Verantwortlichen würden vor Gericht landen, versicherte er, bevor er seine Botschaft mit der Drohung »Tod den Korrupten« beendete. Bestätigt wurde dies auch von bolivianischen Medien, laut denen gegen Morales und weitere führende Vertreter des linken Lagers Verfahren vorbereitet würden.
Die Arce-Vertraute Prada spricht von einer politisch motivierten Aktion. Die Festnahme sei eine »illegale Entführung«, erklärte sie, da die Staatsanwaltschaft erst Stunden später ein Dokument mit Vorwürfen vorgelegt habe – datiert auf Januar 2020, also aus der Zeit des nach dem Putsch der Rechten von 2019 installierten Regimes unter Jeanine Áñez. Wenige Tage vor dem sechsten Jahrestag des Massakers von Sacaba am 15. November und kurz nach dem Wahlsieg des Rechten Paz hatte der Oberste Gerichtshof deren Verurteilung zu zehn Jahren Haft bereits aufgehoben und ihre sofortige Freilassung angeordnet. Als De-facto-Präsidentin hatte Áñez die Proteste gegen ihre Machtübernahme brutal niederschlagen lassen, insgesamt wurden dabei mindestens 37 Menschen getötet.
Prada ist sich sicher, dass auch im Fall Arce Exekutive und Justiz eng abgestimmt vorgegangen sind, um den politischen Gegner auszuschalten. Neben der nachgereichten Begründung sei dem Expräsidenten der sofortige Zugang zu Anwälten verweigert worden, zudem habe es aus Regierungskreisen vorauseilende Schuldzuweisungen gegeben. Arces frühere Arbeitsministerin Verónica Navia sagte gegenüber dem russischen Portal Sputnik, es sei »offensichtlich, dass wir es mit besonders ausgearbeiteten Strategien zu tun haben, die vermutlich nicht in unserem Land entwickelt wurden«.
Auch politische Beobachter sehen in dem Vorgehen der Behörden eine gezielte politische Aktion. Der Analyst Gabriel Campero bezeichnete die öffentlichen Erklärungen der Regierung und des Vizepräsidenten in einem Interview mit Sputnik als offene Einmischung der Exekutive in die Justiz und sprach von einer »klaren politischen Operation«. Dass der Schlag gegen führende MAS-Politiker ausgerechnet jetzt erfolgte, ist für ihn kein Zufall: Die Regierung Paz stehe wegen akuter Treibstoffknappheit, Streiks und wachsender sozialer Unzufriedenheit stark unter Druck. Die Festnahme Arces diene dazu, inmitten der ökonomischen Krise von gebrochenen Wahlversprechen abzulenken – und zugleich die linke Opposition zu spalten. Dass nun auch Morales öffentlich als nächster Beschuldigter ins Spiel gebracht werde, füge sich nahtlos in dieses Bild.
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