US-Statthalter Polen
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
Die neue US-Sicherheitsstrategie hat mit ihrer demonstrativen Verachtung für die EU und ihrem Akzent auf die »gesunden Nationen« Osteuropas im Westen des Kontinents für einige Irritation gesorgt. Wie sie in der Praxis aussieht, hat der seit Oktober amtierende US-Botschafter in Warschau, Thomas Rose, jetzt in einem Interview des (zum US-amerikanischen Warner-Konzerns gehörenden) polnischen Fernsehsenders TVN 24 demonstriert.
In dem halbstündigen Gespräch für ein Talkformat zur Primetime am Dienstag sparte Rose nicht mit Komplimenten für Polen und seine Bevölkerung: die Straßen »so sauber, dass man davon essen könnte«, die Menschen »freundlich und fleißig«. Das ging der polnischen Seele runter wie Öl. Dann aber kam das Politische: »Duckt euch nicht weg«, ermahnte Rose die polnische Politik; »Tretet in Europa selbstbewusster und durchsetzungsorientierter auf.« Polen sei schon heute eine regionale Großmacht, was die Militärausgaben angehe. Das sei genau das, was Washington von seinen europäischen Alliierten erwarte: »Der Rest Europas muss eine Politik machen wie Polen.« Je stärker Polen sei, desto stärker sei auch »Amerika«.
Rose bereitete Polen rhetorisch auf eine Rolle als Statthalter der USA in Mittel- und Osteuropa vor: Das Land habe den großen Vorteil, »politisch geeint« zu sein. Das stimmt zwar nur bedingt, indem die ideologische Fixierung auf die USA als Wunschpartner beide großen Parteien eint; untereinander überziehen sie sich aber gleichzeitig mit den bittersten Vorwürfen. Das kann ein US-Botschafter allerdings in aller Souveränität ignorieren: »Ihr seid die einheitlichste Nation Europas!«
Woher diese Charmeoffensive kam, machte Rose auch deutlich: Die USA könnten nicht mehr allein die Sicherheit der ganzen (kapitalistischen) Welt garantieren; sie müssten sich in den kommenden Jahren auf den »Indopazifik« und die Auseinandersetzung mit China konzentrieren. Polen könne sich aber jedenfalls besonderer Aufmerksamkeit der USA sicher sein, so Rose: Die USA würden Polen verteidigen, wie sie ihren Bundesstaat Alabama verteidigen würden.
Die Reaktion der polnischen Öffentlichkeit auf diese im diplomatischen Stil ziemlich beispiellose Mischung aus Belehrung und Einmischung war geteilt: Die Gazeta Wyborcza warf dem ausstrahlenden Sender TVN 24 vor, ihr Interviewer – ein früherer USA-Korrespondent – habe vor dem Botschafter »auf den Knien« gelegen und keine einzige kritische Rückfrage gestellt. Und er machte Rose unglaubwürdig mit dem Argument, dass dessen Chef Donald Trump gerade dabei sei, die Ukraine »an Putin« zu verraten. Rose habe die kollektive Schwäche der Polen, ihre Leiden in der Vergangenheit nie hinreichend gewürdigt zu sehen, »mit der Subtilität seines Vorgesetzten« schamlos ausgenutzt. Regierungschef Donald Tusk schrieb auf X etwas peinlich berührt, die USA sollten sich bitte an die »seit 80 Jahren bewährte« Tradition der transatlantischen Partnerschaft halten. Wobei Trumps Neudefinition des Verhältnisses zu Europa so neu auch wieder nicht ist. Hatte nicht Donald Rumsfeld vor dem Hintergrund des zweiten Irakkrieges schon vor gut 20 Jahren zwischen dem »alten« und dem »neuen« Europa unterschieden?
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