Eltern müssen mitstreiken
Von Susanne Knütter
Kriegsdienst verweigern? Auf jeden Fall. Aber wie? Darüber gibt es verschiedene Ansichten. An dem Tag, als die Wiedereinführung der Wehrpflicht im Bundestag beschlossen wurde, verschickte der Vorstand der Verdi-Betriebsgruppe der Freien Universität an seine Mitglieder einen Aufruf gegen »Kriegsvorbereitung und Wehrpflicht«. Er sollte unter anderem insbesondere den jüngeren Mitgliedern Informationen über die Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern, liefern. Darin heißt es: »Ihr könnt der Erfassung durch die Bundeswehr vorläufig entgehen, wenn ihr von eurem Widerspruchsrecht gegen die Datenübermittlung an die Bundeswehr an einem Berliner Bürgeramt Gebrauch macht.« Mit Musterschreiben und Hinweis auf die Seite kriegsdienstblocker.de weisen die Gewerkschafter darauf hin, dass man sein grundgesetzlich verankertes Recht auf Kriegsdienstverweigerung auch vorsorglich wahrnehmen kann. Auch die Berliner Landesverfassung garantiere, so die Verfasser: »Jedermann hat das Recht, Kriegsdienste zu verweigern, ohne dass ihm Nachteile entstehen dürfen.‹ (VvB Art. 30 Abs. 2)«
Die DFG-VK, die deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner, empfiehlt hingegen nicht, Widerspruch gegen die Datenübermittlung an die Bundeswehr einzulegen, sondern, im Gegenteil, sich jetzt mustern zu lassen. Auf ihrer Website heißt es: »Wenn du als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden willst, musst du dich mustern lassen. Erst dann wird dein KDV-Antrag bearbeitet. Das ist gesetzlich in § 2 (6) des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes verankert – ohne Musterung wird dein KDV-Antrag abgelehnt.« Gerade jetzt seien die Anerkennungschancen hoch. Und weiter: »Falls du mit dem KDV-Antrag noch warten willst, gibt es das Risiko, dass bei Ausrufung des Spannungs- oder Verteidigungsfalles dein KDV-Antrag die aufschiebende Wirkung verliert, die Anerkennungschancen schwinden und du zu einem Dienst in die Bundeswehr einberufen werden kannst.«
Welche Variante der Kriegsdienstverweigerung größere Erfolgsaussichten hat, ist eine wichtige Frage. Aber die Diskussion darum ist vor allem auch eine Debatte um die richtige individuelle Beratung. Es gibt mindestens eine weitere, notwendige Form des Widerstands: die kollektive Verweigerung nicht nur der eigenen Daten und des eigenen Körpers (und Geistes), sondern jeglicher Dienstleistungen. Dass vielerorts die Gewerkschaftsjugenden und die GEW den Schulstreik gegen Wehrpflicht unterstützt haben – die IG Metall Jugend sogar fast bundesweit –, ist ein Anfang.
Selbstverständlich ist das offenbar nicht mehr. Verdis im August veröffentlichte Stellungnahme zum nun beschlossenen Wehrdienstmodernisierungsgesetz, die auch der Vorstand der Verdi-Betriebsgruppe der FU Berlin in seinem Aufruf kritisiert hat, war geradezu kontraproduktiv. Denn da heißt es unter anderem: »Verdi tritt für eine Bundeswehr ein, die eine demokratisch kontrollierte Parlamentsarmee ist und ihrem grundgesetzlichen Auftrag als Verteidigungsarmee gerecht werden kann. Dafür ist es notwendig, die Bedingungen für einen freiwilligen Wehrdienst so attraktiv zu gestalten, dass sich junge Menschen in ausreichendem Maße für die Bundeswehr entscheiden. Alle Maßnahmen in diesem Sinne begrüßt Verdi ausdrücklich.« Bei der gegenwärtigen Aufrüstung aber geht es so wenig um Verteidigung, wie es bei der stufenweisen Wiedereinführung der Wehrpflicht um Freiwilligkeit geht. Am Ende werden vor allem finanziell schwächere oder perspektivlose Menschen den Weg zur Bundeswehr gehen.
In drei Monaten soll der nächste Schulstreik stattfinden. Besser wäre zeitnäher und länger als einen Tag. In der Geschichte gibt es Beispiele für erfolgreiche Schulstreiks, woran die UZ in ihrer aktuellen Ausgabe erinnert. Entscheidend waren Masse und Durchhaltevermögen. Notwendig wird sein, dass die Eltern mitstreiken. Dafür braucht es die Gewerkschaften – nicht nur verbal unterstützend, sondern praktisch.
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