Eine Art Aufbruch
Von Wolfgang Nierlin
Schon sein Gang auf die Bühne wirkt müde, schwerfällig und schwankend. Kurz darauf bricht der gefeierte Rapper Yak (Yakoub) aka FTHR (Kostja Ullmann) bei seinem Berliner Konzert zusammen. Offensichtlich ist er zugedröhnt. Doch als er nach einem Telefonanruf und gegen den Willen seines abgeklärten Managers kurzerhand flieht, wird klar, dass der 38jährige Popstar schon länger in einer schwelenden, zunächst nicht näher erläuterten Krise steckt. Yakoubs Freundin schläft ganz selbstverständlich mit einem Jüngeren, sein Reichtum ist nur geborgt und seine Beziehungen sind allenfalls oberflächlich. »Ich bin ein absolutes Wrack«, sagt der Rapper, der sich bevorzugt hinter einer dunklen Brille versteckt und seine Einsamkeit auch in seinen Songs thematisiert, wenn er rappt: »Ich brauch’ hinter mir kein Team!« Frustriert und gereizt fährt er in seinem alten Ford spontan nach Köln, um seinen schwerkranken syrischen Vater (Husam Chadat) zu besuchen, der seine Familie vor dreißig Jahren verlassen hatte. Im Krankenhaus trifft er überraschend auf seine 16jährige Halbschwester Latifa (Safinaz Sattar), die allerdings nur Arabisch spricht.
Die beiden unfreiwilligen Schicksalsgefährten können sich nicht verstehen und sind sich doch so ähnlich in ihrer Suche nach innerem Halt und äußerer Zugehörigkeit. Beide sind verlassene Kinder, die traumatisiert sind vom frühen Verlust der Mutter und vom unsteten Leben des Vaters. Vor allem Yak, Sohn einer Deutschen, driftet verloren, wurzel- und beziehungslos zwischen den Kulturen. »Kick the roots« hat er in winziger Schrift wie einen Glaubenssatz auf seiner Wange eintätowiert. »Es ist schwer zu akzeptieren, dass man allein ist auf der Welt«, sagt er einmal zu Latifa. Fast wider Willen begibt er sich in Leis Bagdachs Roadmovie »Im Rosengarten« auf eine winterliche Reise durch ein verschneites Deutschland in der Weihnachtszeit, um in den Überbleibseln vergangener Beziehungen nach einer Identität zu suchen, die ihn immer wieder lockt und die er zugleich abwehrt. Yak ist ein verlorener Sohn, der auf seiner Irrfahrt nach einer Heimat sucht. Doch weder bei seinem schriftstellernden Freund Art (Tom Lass) in der Eifel noch bei seinen Großeltern und seiner ehemaligen Freundin Fee (Verena Altenberger) im Nordschwarzwald findet er eine Vergangenheit, an die er einfach so anknüpfen könnte.
Leis Bagdach inszeniert seinen verlorenen Helden im ständigen Konflikt zwischen Nähe und Distanz, Ablehnung und Zugehörigkeit, wobei sich die parallelen Welten immer wieder schmerzhaft berühren und überschneiden. Wenn ihm Rassismus entgegenschlägt, gerät das teils plakativ und klischeehaft; ein syrischer Musik- und Tanzabend in einem Flüchtlingsheim zum Glück nicht. Trotz der verzweigen und vielschichtigen Thematik arbeitet Bagdach in seinem »(Anti-)Heimatfilm« leider mehr mit fixen Setzungen als mit Entwicklungen, die aus dem Erzählen resultieren. Unvermittelt aufblitzende Traumbilder und Erinnerungssplitter beleuchten dabei eine diffuse Vergangenheit, fügen sich aber letztlich nur in das Bild eines pathetischen Helden. Dass dem trotz aller Zerrissenheit doch noch eine Art Aufbruch gelingt, ist einerseits vielleicht allzu optimistisch, andererseits aber auch die Konsequenz aus seiner dramatischen Reise in eine zerbrochene, instabile Vergangenheit.
»Im Rosengarten«, Regie: Leis Bagdach, BRD 2025, 100 Min., Kinostart: heute
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