»Geisterprojekte« und Hochwasser
Von Theo Aalders und Kevin Donaire
Ungefähr 300 Menschen starben auf den Philippinen durch die Taifune Kalmaegi und Fung-Wong (dort auch Tino und Uwan genannt), die im November ganze Landstriche verwüsteten. Die enorme Intensität dieser Supertaifune lässt sich direkt auf die Folgen der Erderhitzung zurückführen. Die jüngsten Proteste auf den Philippinen machen allerdings nicht nur den Klimawandel für die Todesopfer verantwortlich, sondern vor allem »Ghost Projects«, Geisterprojekte: Pläne zur Umsetzung von Flutschutzmaßnahmen, für die Bauunternehmen Hunderte Millionen philippinische Pesos erhalten haben, die aber in Wirklichkeit nie gebaut wurden.
Der Begriff Ghost Projects stammt ursprünglich aus der kritischen Infrastrukturforschung. Er beschreibt ein weltweit verbreitetes Phänomen: Das Versprechen von Infrastrukturprojekten ist oft deutlich einfacher und lukrativer als deren tatsächliche Umsetzung. Während also aus spektakulären Visionen politisches und oft auch wirtschaftliches Kapital geschlagen werden kann, existieren die versprochenen Projekte oft nur als Planskizze.
Auf den Philippinen sind die Ghost Projects zu einem Kampfbegriff geworden. Im Oktober benutzten Ermittler den Begriff in einem Bericht, um knapp 500 Hochwasserschutzprojekte zu bezeichnen, die finanziert und angeblich fertiggestellt, in Wahrheit jedoch nie gebaut worden waren. Oft geht es um eher kleinteilige Anlagen – Drainagen oder Schutzwälle – von denen pro Region oder Stadt Dutzende und Hunderte bewilligt werden. Durch Schmiergelder und aufgeblähte Budgetkalkulationen schoben sich Mitglieder politischer Dynastien und milliardenschwere Bauunternehmen gegenseitig Scheinverträge in Millionenhöhe zu. Zunächst versuchte der amtierende Präsident Marcos noch, seinen Vorgänger Duterte für diese Geisterprojekte verantwortlich zu machen. Doch nachdem sich der Begriff in der Öffentlichkeit und als Teil von Parolen während der andauernden Proteste verbreitete, geriet aber zunehmend auch seine eigene Regierung unter Druck. Der für die juristische Verfolgung von Regierungsmitgliedern verantwortliche Ombudsmann Jesus Crispin Remulla stellte für kommende Woche Haftbefehle gegen möglicherweise an der Korruption beteiligte Politiker in Aussicht.
Auch in Deutschland geht die philippinische Diaspora gegen die Korruption auf die Straße. In einer Rede auf einer Demonstration in Berlin Ende November sprach eine deutsch-philippinische Aktivistin über ihren 2024 im Taifun Carina ums Leben gekommenen Cousin: »Marcs Tod begann nicht mit diesem Taifun. Er begann, lange bevor das Hochwasser stieg. In der fehlenden Schutzvorsorge, in vernachlässigter Infrastruktur, die nur auf dem Papier existierte, in verzerrten Prioritäten, die eigennützigen Interessen folgten, und in Ressourcen, die genau den Communitys entzogen wurden, die sie eigentlich schützen sollten.«
Die Rede steht exemplarisch für eine lange Geschichte der Gewalt, Korruption und systematischen Vernachlässigung vulnerabler Gruppen auf den Philippinen. Die ungleiche Verteilung von Landbesitz in der Kolonialzeit unter spanischer und später US-amerikanischer Herrschaft führte zu einer festen Verankerung politischer Dynastien und schwachen Rechtsmechanismen. Politische und wirtschaftliche Eliten nutzen ihre Position in der Regierung, um durch systematische Vetternwirtschaft Vorteile zu erlangen. Die IBON-Stiftung, ein progressiver Thinktank auf den Philippinen, nennt dieses System »Bürokratenkapitalismus«.
Die Geisterprojekte zeigen, dass die ohnehin schon verheerenden Auswirkungen der Erderhitzung zu Gewalt in einem brutalen Klassenkampf geworden sind. Die Villenviertel der Reichen liegen hoch und trocken, geschützt durch funktionierende Drainagen, während marginalisierte Bevölkerungsgruppen in den Flutgebieten dem Wasser überlassen werden. Die philippinische Elite, angeführt von den einst verbündeten Clans der Marcos und Dutertes, wird mit der aktuellen Protestwelle im Land nun von genau jenen Geistern heimgesucht, die sie durch Jahrzehnte der Korruption gerufen hat.
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