Gegründet 1947 Donnerstag, 11. Dezember 2025, Nr. 288
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 11.12.2025, Seite 7 / Ausland
Eskalation in Ostafrika

»M 23« marschiert trotz »Friedensschluss«

DR Kongo: Proxymiliz zieht in Großstadt Uvira ein – Hunderttausende fliehen. Die Region ist destabilisiert, doch der Rohstoffschmuggel floriert
Von Christian Selz, Kapstadt
7.JPG
Bereits im Januar mussten Hunderttausende fliehen, weil die »M23« die Stadt Goma eingenommen hatte

Nur knapp eine Woche ist es her, dass Donald Trump im Beisein der Präsidenten der Demokratischen Republik (DR) Kongo und Ruandas, Félix Tshisekedi und Paul Kagame, mit breitem Grinsen einen Friedensvertrag vor die Kameras hielt. Der US-Regimechef sprach von einem »Wunder« und nannte das sogenannte Washingtoner Abkommen »historisch«. Zyniker mögen diese Einschätzung bestätigen, denn wohl selten zuvor wurde ein Friedensschluss bereits während der Unterzeichnung gebrochen. Die Offensive, die von seiten der ruandischen Proxymiliz »M 23« bereits am 1. Dezember in Gang gesetzt worden war und auch an jenem 4. Dezember des Washingtoner Fototermins nicht pausierte, hat am Dienstag die strategisch wichtige Großstadt Uvira erreicht. Erneut wurden Hunderttausende Menschen vertrieben, der Konflikt droht sich auf weitere Länder der Region auszuweiten.

»Ruanda bricht seine Zusagen schon jetzt«, warf Tshisekedi am Montag vor dem Parlament in Kinshasa der Regierung des Nachbarlands vor. Deren Außenminister Olivier Nduhungirehe hatte der BBC allerdings bereits am 5. Dezember erklärt, dass er aus keinem Deal lese, »dass Ruanda seine Truppen zurückziehen soll, weil wir keine Truppen im Osten der DR Kongo haben«. Ebenso bestreitet Kigali gebetsmühlenartig, die »M 23« zu unterstützen. UN-Experten haben jedoch in mehreren Berichten nachgewiesen, dass Ruanda seine Proxymiliz sehr wohl nicht nur logistisch unterstützt und bewaffnet, sondern de facto auch Steuerungsgewalt über die Truppe ausübt. Zudem soll es mit 3.000 bis 4.000 regulären Soldaten in die DR Kongo einmarschiert sein.

Zwar haben sowohl die ruandische Regierung als auch Vertreter der »M 23« auf diplomatischer Bühne stets Verhandlungsbereitschaft signalisiert und entsprechende Abkommen mit der kongolesischen Seite zunächst in Doha (»M 23«) und zuletzt in Washington (Kagame) unterzeichnet. Die Geschehnisse an der Front blieben davon jedoch unberührt. Ruanda, das sich mit Abkommen zur Aufnahme von Geflüchteten aus den USA und europäischen Ländern sowie der militärischen Durchsetzung französischer Öl- und Gasinteressen im Norden Mosambiks für den Westen unverzichtbar gemacht hat, genießt in der DR Kongo offensichtlich einen Freibrief. Daran wird aller Voraussicht nach auch die »ernste Besorgnis«, die mehrere europäische Staaten und die USA am Dienstag in einem Schreiben äußerten, wenig ändern. Die Forderung nach einem sofortigen Rückzug dürfte von Kigali mit den üblichen Dementis einer eigenen Beteiligung beantwortet werden.

Der Westen hat schlicht kein ökonomisches Interesse, Ruanda Einhalt zu gebieten. Zwar tönte Trump am vergangenen Donnerstag, die USA würden nun »einige unserer größten und großartigsten Unternehmen« in die DR Kongo und nach Ruanda schicken, um dort »die seltenen Erden rauszuholen, einige Werte rauszuholen und zu bezahlen«. Die DR Kongo hatte allerdings versucht, auch mit chinesischen Firmen zu handeln, um durch den Wettbewerb bestmögliche Konditionen zu bekommen.

Das kleine, aber hochgerüstete Ruanda hat kaum eigene Bodenschätze, unterzeichnete aber ein Rohstoffabkommen mit der EU, in dessen Rahmen der Aufbau von Raffinerien gefördert werden soll. In dem Deal ist schon eingeplant, dass Kigali durch seine Kontrolle über den rohstoffreichen Ostkongo Zugang zu umfangreichen Mengen an Bodenschätzen hat. Was Brüssel kann, kann Trump besser. Sein nun in Washington geäußerter Leitsatz – »Jeder wird jede Menge Geld machen« – funktioniert auch unter ruandischer De-facto-Besatzung. Dass die Präsenz der »M 23« dem Rohstoffhandel keinen Abbruch tun wird, sagte auch Michael de Kock, Analyst der Wirtschaftsberatung Oxford Economics, jüngst gegenüber dem Magazin The Africa Report: »Bodenschätze werden verstärkt durch informelle Schmuggelnetzwerke durch Burundi, Ruanda, Tansania und Uganda fließen.«

Die Regierung der DR Kongo verliert derweil mit Uvira ihre letzte wichtige Großstadt in den rohstoffreichen Provinzen Nord- und Südkivu. Aufgrund der geographischen Lage – Uvira liegt direkt gegenüber der burundischen Wirtschaftsmetropole Bujumbura am Tanganjikasee – bedeutet die Offensive auch eine Gefahr für Burundi, das zuletzt bis zu 18.000 Soldaten zur Unterstützung der kongolesischen Armee entsandt hatte. Weil auch Tansania und Sambia auf den See als Transportroute angewiesen sind, droht eine weitere Destabilisierung der Region.

Bereits während des Vormarschs in Richtung Uvira, bei dem mindestens 74 Menschen getötet wurden, sind UN-Angaben vom Dienstag zufolge etwa 200.000 Menschen vertrieben worden, zusätzlich zu den bisherigen sechs bis sieben Millionen Binnenflüchtlingen. Die meisten neu vertriebenen Menschen strömten nach Uvira, von wo aber nach burundischen Angaben in der vergangenen Woche bereits 30.000 Menschen ins Nachbarland geflüchtet sind. Der Fall der 700.000-Einwohner-Stadt könnte nun eine Massenflucht über den See auslösen, wofür jedoch weder sichere Boote noch Versorgungsmittel im verarmten Burundi bereitstehen.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Der Fahrplan ist beschlossen, ob das Ziel erreicht wird, bleibt ...
    20.11.2025

    Ein Schritt vor in DR Kongo

    Kinshasa und Rebellenmiliz »M 23« einigen sich auf Rahmenabkommen für Friedensverhandlungen
  • Patrouille von »M 23«-Milizionären in der Regionalhauptstadt Buk...
    20.02.2025

    Rebellen rücken vor

    DR Kongo: Miliz »M 23« und ruandische Regierungstruppen erobern nächste Provinzhauptstadt
  • Der Anführer der »M23«, Willy Ngoma (M.), vor der Räumung der Or...
    10.02.2023

    Kein Frieden in DR Kongo

    Wieder Kämpfe mit Miliz »M 23«. Krisengipfel in Burundi und Bericht zur Menschenrechtslage

Mehr aus: Ausland

                                              jW-Jahreskalender für 2026 herunterladen (hier direkt)