Welche Länder inhaftieren Kriegsgegner?
Zum Tag der Gefangenen für den Frieden am 1. Dezember veröffentlicht die »War Resisters’ International«, also die sogenannte Internationale der KriegsdienstgegnerInnen, alljährlich die »Liste der Gefangenen für den Frieden«. Gleichzeitig ruft die Organisation dazu auf, den Inhaftierten Kartengrüße als Zeichen der Solidarität zu schicken. An wen gingen die Karten?
Am Sonnabend verschickten wir Karten an Exmilitärs in Belarus, die Whistleblower sind: Denis Urad hat Anweisungen des Innenministers Jury Karajew an den Verteidigungsminister Wiktar Chrenin offengelegt, die Armee gewalttätig gegen Demonstranten einzusetzen. Sein Ziel war, das Töten von Zivilisten durch das Militär zu verhindern. Er wurde anschließend zu einer Haftstrafe von 18 Jahren verurteilt – wegen Hochverrats. Auch Anton Tscheremnich werden Hochverrat und Aufwiegeln zu sozialer Unruhe vorgeworfen. Er äußerte sich kritisch über Angriffe auf die Ukraine und die Grausamkeit belarussischer Sicherheitskräfte. Zu erwarten ist, dass er 20 Jahre ins Gefängnis muss. Dmitrij Gulin prangerte Gewalt von Sicherheitskräften bei Demonstrationen gegen den Krieg an. Ihm wurden Hochverrat, Verleumdung und Beleidigung des Präsidenten Alexander Lukaschenko vorgeworfen. Strafe: 14 Jahre Knast. Ähnlich gelagert ist der Fall des Whistleblowers Sergej Schpak. Bei besonders hart eingestuften Fällen von Verrat ist die Todesstrafe möglich. Alle diese Fälle übermittelte uns unsere belarussische Partnerorganisation »Nasch Dom – Unser Haus«.
In welchen Ländern werden Leute inhaftiert, die sich für Frieden einsetzen?
Wir kennen nur Namen und Adressen, die uns mit Zustimmung der Gefangenen übermittelt werden. Die Liste enthält zwei Arten von Gefangenen: Menschen, die wegen ihrer Friedensarbeit eingesperrt sind, sowie Kriegsdienstverweigerer und -verweigerinnen. Die Inhaftierten kommen vorrangig aus Ländern mit Kriegsdienstzwang. In Europas Strafanstalten gibt es sie heute kaum noch, außer in den kriegführenden Ländern Ukraine, Russland und Belarus. Die Liste ist aber weder repräsentativ für die Anzahl der Gefangenen noch für das Verweigerungsgeschehen. Die wenigsten sind heute klassische Kriegsdienstverweigerer: Meist sorgen sie durch Flucht aus ihrem Land dafür, dass sie nicht in den Militärdienst eingezogen werden. Zehntausende entziehen sich so dem Krieg.
Wie war es in der Vergangenheit?
In den 1990er Jahren gab es in Spanien einen Massenwiderstand von Totalverweigerern. Wir schickten rund 400 Karten pro Jahr in spanische Gefängnisse. Auch in der Türkei entstand damals eine Bewegung der Kriegsdienstverweigerung: Menschen dort wurden wiederholt inhaftiert, nach Freilassung aufgrund eines erneuten Einberufungsbefehls wieder verhaftet und verurteilt. Aktuell ist das zwar selten der Fall, aber der türkische Staat beschert statt dessen oft den »sozialen Tod«, entzieht staatliche Rechte. Die Betroffenen erhalten keine Papiere, können das Land weder offiziell verlassen noch legal arbeiten oder heiraten. In vielen Ländern der Welt sind zum Beispiel heute noch Tausende Zeugen Jehovas in Haft, weil sie verweigert haben, etwa in Südkorea oder Eritrea.
Was hat es damit auf sich?
Sie verweigern sich, weil sie nicht »zwei Herren« dienen wollen: neben Gott auch dem Staat. Per Brief dankte uns eine Angehörige aus Zypern: »Sehr nett, was Sie machen, aber nicht wichtig« – denn nur das Leben nach dem Tod zähle.
Die DFG-VG Mainz-Wiesbaden lud zum gemeinsamen Schreiben der Karten an die Gefangenen ein. Was kann Ihre Gruppe damit konkret bewirken?
Zunächst können wir ermutigen. Post aus aller Welt zeigt, dass die Gefangenen nicht vergessen sind. Damit sinkt die Gefahr von Folter und Misshandlung. Uns ist bewusst, dass der Weltfrieden nicht erreicht ist. Wird der Kriegsdienstzwang in europäischen Ländern wieder aktiviert, ist dort wieder mit mehr Gefangenen zu rechnen.
Gernot Lennert ist Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, DFG-VK, Rheinland-Pfalz
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