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Aus: Ausgabe vom 12.12.2025, Seite 2 / Ausland
Honduras nach der Wahl

Welche Fehler hat die Linke gemacht?

Trotz teilweiser guter Politik hat die Partei Libre die Basis und die Gewerkschaften vergessen, beklagt Maritza Somoza
Interview: Thorben Austen, San Pedro Sula
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Die Wahl in Honduras wurde überschattet von Manipulationsvorwürfen und deutlicher US-amerikanischer Einflussnahme (Tegucigalpa, 8.12.2025)

Sie arbeiten beim nationalen Personenregister RNP in San Pedro Sula im Norden von Honduras. Wie kamen Sie zur Gewerkschaftsbewegung?

Zur Zeit bin ich nationale Sekretärin unserer Gewerkschaft im RNP und für die Region Nordhonduras Präsidentin der Federación Unitaria de Trabajadores de Honduras, FUTH – und die erste Frau in dieser Position. Unsere Gewerkschaft im RNP wurde 2003 gegründet, das RNP als Institution gibt es seit den 1990er Jahren. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – etwa 75 Prozent sind Frauen – sind automatisch Mitglied der Gewerkschaft; wir treten in Tarifverhandlungen und setzen uns für bessere Arbeitsbedingungen ein. Die Ausschüsse der Gewerkschaft sind aus den drei großen Parteien zusammengesetzt, der Nationalen Partei, der Liberalen Partei und der Partei Libre. Ich selbst bin seit den 1990er Jahren politisch aktiv, Gründungsmitglied der Unificación Democrática 1997 und nach dem Putsch 2009 dann auch Mitglied der Partei Libre, die aus dem Widerstand gegen den Putsch hervorging.

Auch über eine Woche nach den Wahlen ist nicht klar, wer der neue Präsident von Honduras wird. Es scheint aber festzustehen, dass Libre die Wahlen deutlich verloren hat. Was erwarten Sie für die nächsten Jahre für die Gewerkschaftsarbeit?

Wir sind sehr besorgt. Die Protagonisten des Neoliberalismus möchten die Arbeiterklasse zurück in die Zeit der Sklaverei führen, ohne rechtliche Absicherung. Leider hat die Hand von Donald Trump bei den Wahlen deutlich mitgeschrieben. Libre hat aber auch eigene Fehler gemacht.

Zum Beispiel?

Sie haben die Basis vergessen. Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften lief eher informell, über persönliche Freundschaften zu Funktionären von Libre. Eine gute gewerkschaftliche Bildungsarbeit, die auch Klassenbewusstsein schafft, wurde von Libre nicht unterstützt. Es gab selbstverständlich auch Gutes. Libre hat eine gute Politik der Frauenförderung betrieben und junge Leute – gute, ehrliche Personen – in hohe Staatsämter gebracht. Meine Chefin hier im RNP beispielsweise ist 26 Jahre jung. Wir werden mit den verschiedenen Gewerkschaften die Fehler der vergangenen Jahre analysieren und uns auf die nächsten Jahre einstellen. Hier ergibt sich aber niemand. Wir haben am Wahlsonntag aus gewerkschaftlicher Sicht eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg. Das sind wir auch den Märtyrern schuldig – den Compañeros, die im Widerstand nach dem Putsch ermordet wurden.

Das RNP ist eine staatliche Institution. Wie sieht es mit gewerkschaftlicher Freiheit und den Arbeitsbedingungen im privaten Sektor aus?

Es gibt nicht mehr so viele Gewerkschaften im privaten Sektor. Noch in den 1980er Jahren war die Gewerkschaftsbewegung stärker. In der FUTH sind aber 14 Gewerkschaften organisiert. Neben solchen im staatlichen Bereich auch eine für den informellen Sektor, Gewerkschaften in den Bekleidungsfabriken – den sogenannten Maquilas, die für den Weltmarkt produzieren – und Gewerkschaften in der Nahrungsmittel- und Getränkeproduktion.

Nicht alle privaten Unternehmen bezahlen die gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung, obwohl der Unternehmer nur einen Anteil zahlen muss, den anderen zahlt der Arbeiter selbst. In vielen Maquilas gibt es zwar einen eigenen Arzt. Dieser macht aber nur kostengünstige Grundversorgung, verschreibt Schmerzmittel. Die Arbeit in den Maquilas ist schwer und gesundheitsschädigend, viele Kollegen haben im Alter von 35 schon gesundheitliche Probleme. Die Existenz eines betriebseigenen Arztes ist der Vorwand, keine Krankenversicherung zu zahlen. Wir fürchten, mit einer neuen rechten Regierung könnte eine Repression gegen die Gewerkschaftsbewegung wie in den 1980er Jahren zurückkehren. Auf der anderen Seite gibt es aber gerade in den Maquilas viele junge Arbeiter, die sich organisieren und politisch bilden wollen.

Was geschah in den 1980er Jahren? Nominell war Honduras da schon eine Demokratie.

Es gab das Zweiparteiensystem der Liberalen und der Nationalen Partei, die sich an der Macht abwechselten, sich aber nicht um die Menschen kümmerten. In jenen Jahren gab es viel Repression, viele Morde und Verschwundene. Das lag auch an den Konflikten in den Nachbarländern. Contras aus Nicaragua, Paramilitärs aus Guatemala und El Salvador sowie US-Militär und Geheimdienste waren hier im Land.

Maritza Somoza ist nationale Sekretärin der Gewerkschaft der Angestellten im RNP und Präsidentin des Gewerkschaftsbundes FUTH für Nordhonduras

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