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Aus: Ausgabe vom 08.12.2025, Seite 3 / Ansichten

Leninbeauftragte des Tages: Evelyn Zupke

Von Hagen Bonn
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Multiple Leiden: Evelyn Zupke

Zupke, Deckname: »SED-Opferbeauftragte«, muss sich viel zu oft und einsam in ihrem Büro des Bundestags stumm brütend fragen: »Was ist mein Sinn des Lebens?« Tage zuvor hatte sie sich noch intensiv mit einer anderen Frage beschäftigt: »Wer war Jack the Ripper?« Dann half ihr ein chinesischer Glückskeks aus der Patsche. Auf dem Zettelchen stand: »Warum ist Geschichte immer schon vorbei?«

Und in jenem Augenblick rief die Bild-Redaktion an: »Frau Opfer, sorry, ich meine Frau Opferbeauftragte, wir benötigen wieder etwas von Ihnen. Vielleicht was mit Stasi, oder war Putin etwa SED-Opfer? Haben Sie vielleicht Krebs? Irgendwas, bitte.« Schweigen in der Leitung. Der Bild-Mann setzt sich aufrechter hin, er spürt, da kommt was. Ein Flüstern erst, die Bundesbeauftragte brabbelt etwas über Geschichte, die immer schon vorbei sei, und nein, das könne sie nicht akzeptieren! Dann, mit lauter und fester Stimme, sagt sie: »35 Jahre nach der Wiedervereinigung sollte keine Straße mehr nach Lenin, Otto Grotewohl oder Wilhelm Pieck benannt sein.«

»Schon klar«, flötet der Boulevardknecht, »bitte mehr davon!« Jetzt sitzt Frau SED-Opfer etwas gerader. Die Frage »Was ist mein Sinn des Lebens?« scheint beantwortet, deshalb flirtet sie weiter: »Eine Straßenbenennung ist Ausdruck von Würdigung durch unsere heutige demokratische Gesellschaft. Diese Personen stehen dagegen für das Leid von Tausenden von Opfern.« Der Mann am Telefon nickt eifrig, das spürt die Bundesfrau förmlich. Aber dann kommt es ganz anders, denn der Typ fragt: »Sorry, wer zur Hölle sind diese … Pieck und Grotewohl? Wurden die durch Putin, äh … Lenin zerstückelt? Davor gefoltert?« Zupke legt auf, starrt aus ihrem Bundesopferfenster und seufzt ergeben.

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